Film-Check der Woche

Geheimnisvoll und unnahbar: „Liebmann“, ab 26.01. im Kino

23. Jan. 2017

Der Lehrer Antek Liebmann (Godehard Giese) kommt in Frankreich, Picardy an. Oder postuliert er das Ankommen nur? Eine von vielen Fragen, die sich in diesem Film stellen. Denn die Titelfigur wirkt so verstört und oft nicht bei sich, dass es die Ahnung zulässt: In dieser Seele nistet ein Trauma. Schlaflos sind Liebmanns Nächte, Alkohol ist im Spiel, manchmal fürchtet man um seinen Verstand.
 
Doch die Nachbarin Geneviève findet gleich Gefallen an dem Neuankömmling, der auf ihre Annäherungsversuche eingeht, sich dann aber mit einem jungen Mann, Sébastien, einlässt. Doch immer bleibt Liebmann geheimnisvoll und unnahbar, bricht Kontakte schneller ab, als sie geknüpft sind. Der Besuch seiner Schwester bringt eine Wende, denn sie möchte, dass er sich der Vergangenheit stellt statt länger zu flüchten.

„Liebmann“ führt sein Publikum gern in die Irre. Ist es eine Flucht vor der Familie, vor der Liebe oder gar vor einem Verbrechen? Da ist einiges an Interpretationsspielraum. Raffiniert spielt die Regisseurin Jules Herrmann mit Sehgewohnheiten und Antizipationen. Die Stimmungen der Hauptfigur werden per Farbfilter verstärkt, eine Sequenz wirkt wie aus der zauberhaften Welt von Amélie, dann wieder historisiert der Film für eine kurze Szene.

Herrman experimentiert in ihrem ersten Langfilm mit diversen Stilmitteln, wechselt die narrativen Elemente, um Liebmanns Seelenzustand darzustellen. Godehard Giese spielt das recht überzeugend und hält den Film in der Tat zusammen. Dass diese interessante und zerrissene Figur am Ende die Vergangenheit verarbeitet hat und in eine Zukunft blicken kann, kommt allerdings etwas abrupt.
Der Film lief bei der letztjährigen Berlinale in der Perspektive deutsches Kino und erhielt eine Nominierung für den Teddy Award.


SIEGESSÄULE präsentiert: „Liebmann“, D 2016, Mongay 23.01., 22:00, Kino International
ab 26.01. im Kino

fh

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