Musik

Interview mit Joy Denalane: Berlin „ist erbarmungslos“

1. März 2017
Joy Denalane © Eva Baales

01.03.17 – Ihren ersten Hit feierte die in Berlin geborene Soulsängerin Joy Denalane im Jahr 1999 mit dem Liebesduett „Mit dir“, das sie gemeinsam mit Max Herre, Sänger und Rapper bei Freundeskreis und ihr jetziger Ehemann, aufgenommen hat. Danach folgte ihr Debütalbum „Mamani“, das sich 30 Wochen in den Deutschen Charts hielt. Am 3.März erscheint ihre neue Platte „Gleisdreieck“, benannt nach dem Berliner Ortsteil, in dem sie aufwuchs. Wir haben sie nach der Fashion Week zum Interview getroffen

Dein neues Album heisst „Gleisdreieck“, also so wie die Gegend, in der du aufgewachsen bist. In deinem Song „Stadt“ beschreibst du Berlin jedoch eher etwas düster. Nimmst du die Atmosphäre in der Stadt momentan so wahr? Dieses Lied ist eine Art Liebeserklärung, aber aus einer nüchternen Betrachtungsweise. Berlin ist vielleicht eine Stadt, die für Außenstehende viele Versprechen transportiert. Vieles davon kann man hier auch umsetzen. Hier kann man freier sein. Die Ideen, die man sich in seinem kleinen Dorf oder der Kleinstadt zusammen gesponnen hat, vielleicht umsetzen. Man findet Leute, die ähnlich denken und kann sich entfalten. Das ist die Schönheit der Stadt. Berlin bleibt immer offen und stellt dir immer etwas bereit und versorgt dich mit vielen schönen Stimmungen, Partys und Drogen. Du musst aufpassen, dass du nicht zu sehr in diesen Rausch gerätst. Die Stadt ist auch erbarmungslos, wenn du keinen eigenen inneren Kompass hast, der dir hilft, dich durch das immer vorhandene Grundrauschen zu navigieren.

Auf deiner ersten Platte, „Mamani“, die 2002 erschien, gab es einige Songs, die sehr politisch sind. Bei „Im Ghetto von Soweto“ geht es um die Apartheid, in „Wem gehört die Welt“ um Sexismus und Rassismus usw. Auf deiner neuen Platte „Gleisdreieck“ gibt es solche politischen Songs nicht. Woran liegt das? Ich empfinde das gar nicht so. Es kommt in einem anderen Gewand. Auf „Gleisdreieck“ ist die Message nicht ganz so nach außen gekehrt, und die Sprache ist nicht mehr so direkt wie früher. Doch die Message gibt es immer noch. Man mag sie politisch oder gesellschaftskritisch nennen, aber trotzdem spiegelt meine Musik meine eigene Realität wieder.

Was ist deine Realität?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der ich mich zeitweise problemlos bewegen kann. Aber wenn sich eine gewisse Stimmung zuspitzt und eine Angst nach außen gekehrt wird, gehöre ich zu den Verlierern.

Inwiefern? Ein Auslöser war sicherlich die Flüchtlingsdebatte. Einerseits leben wir in einer absoluten Willkommenskultur und auf der anderen Seite gibt es diese Angst vor dem Unbekannten, die in einem Rechtsruck und offenem Rassismus gipfelt. Es war im letzten Jahr wirklich deutlich zu spüren, und es war viel schlimmer als die ganzen zehn Jahre zuvor. Es ist mir tatsächlich passiert, dass sich Leute in der U-bahn demonstrativ von mir weggesetzt haben.

Du hast zwei Söhne und der älteste ist mittlerweile 16. Du hast ihm den Song „Vorsichtig sein“ gewidmet, in dem man heraushören kann, dass er jetzt mitten in der Pubertät ist. Wie würdest du reagieren, wenn sich einer deiner Söhne als schwul outet? Das Wichtigste, was ich meinen Kindern beibringe ist, dass sie von uns, ihren Eltern, lernen, was Liebe ist. Weil wir ihnen immer schon gezeigt haben, dass wir sie lieben. Und das ist ein guter Kompass für sie, wenn sie in die Welt rausgehen. Sie wissen, wie sich Liebe anfühlt. Und in wen sie sich dann verlieben, ist ihnen überlassen. Es ist wichtiger, jemanden zu treffen, den man liebt, als dass es darum geht, wie diese Liebe dann aussieht. Ich glaube allerdings nicht mehr, dass sie sich jetzt als schwul outen. Aber who knows. Manche finden das auch erst später raus.

Bist du schon mal auf einem Pride aufgetreten?
Nein.

Warum nicht? Weiß ich nicht.

Würdest du es machen, wenn dich jemand fragt?
Ja klar.

Dann sag ich mal dem CSD e.V. Bescheid.
Du bist auch beim Opening der Berlin Fashion Week mitgelaufen. Wie kam es dazu? Man hat mich vor einer Weile gefragt, ob ich nicht Lust habe, mit einem Makeup-Artist von Maybelline New York zusammenzuarbeiten. Marvyn Macnificent hat dann einen Look mit mir entwickelt, der ein wenig an Tribals erinnert. Allerdings war ich mir damals der Tragweite noch gar nicht so bewusst und bin dann plötzlich bei der Eröffnungsshow der Berlin Fashion Week gelaufen.

Wie lief es? Es war das erste Mal, dass ich über einen Catwalk lief. Ich bin es zwar gewohnt, auf die Bühne zu stehen. Das ist im Grunde ja auch meine Liebe, meine Leidenschaft, doch es gibt schon einen Unterschied. Wenn ich normalerweise auftrete, geht es darum, direkt mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Modeln bedeutet eigentlich das Gegenteil. Man muss bei sich bleiben, keinen Kontakt aufnehmen und mit sich bleiben.

Wie würdest du deinen Kleidungsstil beschreiben? Unkompliziert, elegant, Street Style. Jedes der drei Attribute kann dabei mehr Raum einnehmen. Aber alle sind immer irgendwie in meinem Styling vertreten.

Wer ist deine Stilikone? Heutzutage kann ja eigentlich jeder eine Stilikone werden. Es reicht ja schon, wenn eine Person sich in den sozialen Medien, wie Instagram, entsprechend inszeniert. Es gibt also nicht mehr einen Fixstern, an dem man sich orientiert. Allerdings muss ich sagen, dass Solange Knowles in letzter Zeit tolle Dinge gemacht hat. Sie hat Würde und Glamour und strahlt dabei eine starke Weiblichkeit aus.

Interview: Kaey

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