Bühne

Beeindruckend, aber auch Furcht einflößend: Gert Thumser

24. März 2017
Biggy van Blond © Jörn Hartmann

Was haben der Mount Everest, eine Büffel-Stampede und ein Erdbeben der Stärke neun mit Gert Thumser gemeinsam? Genau: Es sind Naturereignisse! Beeindruckend, faszinierend, aber auch Furcht einflößend. Ich sah Gert das erste Mal Mitte der 90er Jahre in der Bar jeder Vernunft und liebte seine physische Präsenz, die fränkische Lakonie und den skurrilen, sehr schwarzen Humor sofort. Er saß in einem schwarz-weißen Kuhfellanzug am Klavier und verlangte vom Publikum, seine Bühnenpartnerin Cora Frost mit einem Singsang zu schmähen, der „Da ist sie, die dreckige Hure, die!“ lautete. Wir schmähten, sie erduldete. Man macht, was ein Naturereignis verlangt! Keine andere von Gerts künstlerischen Liaisons besteht so lange wie die mit Cora. Sie schufen surreale Highlights wie ihren Kurt-Weill-Abend: Darin spielte Gert als sehr großes Kleingeld einen von drei Groschen nach gleichnamiger Weill-Oper, die das Leben des Komponisten erzählten. Weills Erben ließen das Stück verbieten ...

Klar, dass die beiden auch nicht beim Tipi-All-Star-Hit „Frau Luna“ fehlten und dort jüngst als Venus und Mars brillierten. Nein, Gert war nicht die Venus! Ihre Bekanntschaft verdanken sie übrigens Gerts Schulfreund und dem späteren Quatsch-Comedy-Club-Gründer Thomas Hermanns, dessen Vollplayback-Musical „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ nicht nur den Schlagerboom der 90er anheizte, sondern Gert auch den Durchbruch und eine Rolle in der RTL-II-Comedy „Die legendäre Conny-Show“ brachte. Zur selben Zeit entdeckten ihn auch die Teufelsberger um Ades Zabel und rekrutierten ihn für ihre Edgar-Wallace-Parodie „Croco Diabolo – Der Tod steckt in der Handtasche“. Als Fressmonster Blob folterte er in seinem Keller und kopulierte auf offener Bühne mit seiner Herrin. Ein verstörender Auftritt, der den Kindern der „Croco“-Kostümbildnerin, die diese leichtsinnigerweise zur Premiere mitgenommen hatte, schlaflose Nächte bescherte.

Etwas später lernten Gert und ich uns persönlich kennen und 2002 war es so weit: Wir traten miteinander auf. Die zu Recht vergessene Show hieß „We Are Family“ und basierte lose auf dem Musical „The Sound of Music“. Der Anfang unserer Freundschaft, aber ein Flop, der zum Ende der Teufelsberger beitrug. Doch wir blieben uns dennoch treu, und Gert glänzt traditionell in den Silvestershows der Zabel-Company als die „Titanic“ rammender Eisberg oder verarmter Exkinderstar Paula Frantz-Kuhn, die gern über ihre Erfahrungen als Lehrerin an der Rütli-Schule und ihr Sexleben berichtet. Etwas, das wir nun im lange überfälligen Thumser-Solo unter der Regie von Ades endlich abendfüllend erleben werden. Und nicht nur das, denn ich kenne niemanden, der die Ausgeburten des Privatfernsehens derart sarkastisch und doch sachlich versiert kommentiert wie Gert mit seiner Leidenschaft für Dschungelcamp, Topmodel-Suche und Trash-TV. Der Mann braucht seinen eigenen Youtube-Kanal! Ades augenzwinkernd: „Es gilt, dieses stürmische Talent zu bändigen und das Beste aus ihm rauszuholen. Paulas Story soll die Menschen berühren!“ Also freue ich mich schon jetzt auf „Gott vergibt – Paula nie!“ im BKA-Theater. Mögen uns die Titelhelden gnädig sein!

Biggy van Blond

Gert Thumser: Gott vergibt – Paula nie!, 29. und 31.03., sowie 01.04., 20:00, BKA-Theater

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.