1. Disability & Mad Pride zeigt: „Wir sind wie wir sind“
Samstagnachmittag zwischen Kreuzberg und Neukölln: eine illustre Schar sammelt sich am Hermannplatz. Fast könnte man meinen, hier findet sich erneut eine queere Meute zusammen, um den Transgenialen CSD zu zelebrieren. Doch diese Demo hat ein anderes Thema, sie ist die erste Disability & Mad Pride Parade, die in Berlin stattfindet. Aufgerufen dazu sind alle „Freaks und Krüppel, Verrückte und Lahme, Eigensinnige und Blinde, Kranke und Normalgestörte“, so das Motto, um gemeinsam die Barrieren wegzutanzen und aus den Schubladen zu hüpfen.
Denn obwohl in der Politik stets das Vorhaben beteuert wird, andersbefähigte Menschen in die Gesellschaft zu integrieren und ihre Lebenssituationen zu verbessern - in der Alltagswelt der Betroffen finden diese Reden selten konkrete Konsequenzen. Um diesen leeren Versprechungen der Stellvertreterpolitik entgegenzutreten, ergreifen Menschen, die als behindert und psychisch krank klassifiziert werden, selbst das Wort und fordern Anerkennung und Sichtbarkeit.
Allianzen entstehen, die eine Vielzahl von Menschen umfassen, die fernab der Norm leben
Ein Blick auf die Demonstrierenden verrät, warum die Demo dem TCSD so ähnlich sieht: zahlreiche queere SzenegängerInnen laufen mit. An diesem Nachmittag ist zu sehen, was passiert, wenn queere Politiken über den Tellerrand der Themen wie Sexualität und Geschlecht hinwegschauen, und so Allianzen entstehen, die eine Vielzahl von Menschen umfassen, die fernab der Norm leben.
Die Route führt über die Urbanstraße und über den Kanal auf die Skalitzer Straße, am Südblock findet die Abschlusskundgebung statt. Auf Redebeiträgen und Performances von AktivistInnen folgt musikalisches Bühnenprogramm. HipHop dröhnt durch die Boxen, die Abendsonne strahlt. Zwischen dem Refugee Camp, gegenüber vom Taksim-Zelt und neben dem Kotti-Camp findet diese Pride Parade ihren Platz und wirkt dabei vertraut, als würde sie schon seit Jahren stattfinden.
Jule J. Govrin