AKTION

Kiss-in „To Russia with Love“

9. Sept. 2013

Küssen ist ja eine eher stille Angelegenheit, bei der andere Sinne eine Rolle spielen als die der Ohren. Dennoch hört man die über Tausend TeilnehmerInnen des Kiss-ins bis weit Unter den Linden. Sie sind gekommen, um ein Signal zu senden: To Russia with Love, gegen die homophobe und menschenrechtsverachtende Politik der Regierung Putin. Besonders bejubelt wird Sängerin Peaches, die die Menge mehrfach auffordert, die Smartphones wegzulegen und stattdessen mit einem Kuss zu demonstrieren, was in Russland verboten ist: als Lesbe oder Schwuler öffentlich zum Partner oder zur Partnerin zu stehen.

Eine Riesendemo für Menschenrechte am vergangenen Samstag, Badeseewetter und verkaufsoffener Sonntag: Trotzdem zählt die Polizei am Nachmittag rund 1.500 Menschen vor der russischen Botschaft – drei Mal so viele wie angemeldet. Peaches wandelt ihr Lied „Fuck the pain away“ kurzerhand in „Fuck Putin away“ ab. „Keine verdammte Regierung kann euch vorschreiben, wen ihr liebt!“ schließt sie ihren Auftritt und übergibt an Gloria Viagra, die im Leopardendress und mit Pailettenkussmund um den Hals die Demo moderiert.

„Demokratie muss immer wieder neu erkämpft werden – mit der Demo vom Samstag oder auch der gegen den Überwachungsstaat gestern ist es nicht getan!“ ruft sie und fordert die Menge auf: „Knutscht euch, Kinder! Zeigt der Welt mal, dass wir Deutschen das auch draufhaben.“

„Ich knutsch jeden Einzelnen von euch, der heute hier ist!“

Die Welt: neben den Touristen, die in Fahrradrikschas und Pferdekutschen an der Demonstration vorbeifahren, knapp 60 andere Städte, in denen zur gleichen Zeit Kiss-ins stattfinden. Die Initiative „To Russia with love” hatte von Athen bis Zagreb zu den friedlichen Protesten vor russischen Landesvertretungen aufgerufen. Allein in Deutschland machen in Bonn, Hamburg, Frankfurt, München Tausende mit. Gloria Viagra bedankt sich bei den Organisatoren des Kiss-ins und der „Enough is Enough“-Demo. „Und ich knutsch jeden Einzelnen von euch, der heute hier ist!“

Eine der Jüngsten ist die sechsjährige Ronja, die mit ihrer Mutter Julia gekommen ist. Sie trägt ein Herz in Regenbogenfarben auf der Wange und hat rote Konfettiherzchen mitgebracht. Warum ist sie heute hier? Ronja überlegt kurz, schaut ihre Mutter an. „Für die Liebe“, sagt sie dann und strahlt.

Dass, in Gloria Viagras Worten, die „wilde Knutscherei“ ausblieb, machen einige Paare wieder wett, die anschließend direkt vorm Eingangstor der Botschaft weiterküssen – und so ganz nebenbei auch eine Handvoll russisch-deutscher Nationalisten vertreiben. Zwei, die man nicht erst zum Küssen auffordern muss, sind Luis und Klaus. Dass Putin sich bewegt, glauben beide nicht. „Trotzdem muss man ein Zeichen setzen“, findet Klaus. „Auch in Richtung deutscher Politik.“ Bevor die Party im GMF weitergeht, wird Unter den Linden derweil noch getanzt – natürlich zu Prince' „Kiss“.
Katrin Heienbrock

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