Berlin

Die Quantenphysik und der Berliner CSD 2013

9. Okt. 2013
vLnR: Reinhard Thole (Vorstand CSD-Verein), Robert Kastl (Geschäftsführer CSD-Verein), Alexandra Rohe (Team Berlin), Christian Kranich (abbvie)

„Die Linke nannte uns die Speerspitze des Militarismus, weil auf einer CSD-Veranstaltung der niederländischen Botschaft eine Trans-Frau der niederländischen Armee in Uniform dabei war. Die Rechte nannte uns linksextremistische Wahlkampfhelfer, weil wir den CDU-Werbewagen von der Parade ausgeschlossen haben. Und wieder andere nennen uns Nazis, weil wir alle Menschen gleich machen wollen würden. So viele Wahrnehmungen sind nur noch mit der Quantenphysik erklärbar“ – so fasste CSD-Vereinsgeschäftsführer Robert Kastl gestern bei einer Pressekonferenz des Vereins einige Rückmeldungen auf den diesjährigen Berliner CSD zusammen. In der Quantenphysik sind Beobachtungsergebnisse vom Betrachter, von der Betrachterin abhängig – der Vergleich passt also: Die einen nahmen den diesjährigen Berliner CSD als wieder politischer wahr, die anderen sahen die reine Kommerz- und Party-Schlacht.

„Größte lesbischwule, trans- und inter-Veranstaltung, die Berlin je gesehen hat“

Gemessen an den BesucherInnen-Zahlen sei der CSD 2013 die „größte lesbischwule, trans- und inter-Veranstaltung, die Berlin je gesehen hat“, so das offizielle Abschluss-Papier des Vereins, der bei der Parade 700.000 BesucherInnen, beim Finale am Brandenburger Tor 600.000 BesucherInnen zählte.


In finanzieller Hinsicht stehen dem Gewinn von 17.000€ etliche Verbindlichkeiten des vor einem Jahr beinah insolvent gegangenen Vereins gegenüber. Mit kleiner Organisation und wenig Personal werde man das aber stemmen, hofft Kastl. Mit 8.214 Euro konnten laut Verein rund doppelt soviele Spenden für LSBTI-Projekte gesammelt werden wie 2012. Gefährdet sieht der Verein die Fortführung des kulturellen Rahmenprogramms „Berlin Pride Festivals”, hofft aber für 2014 auf öffentliche Mittel. 

Mit 50 Fahrzeugen waren es vier mehr als im Vorjahr, das neue Konzept der Wagenzulassung habe sich bewährt und werde nun fortgeführt: Unternehmenswagen werden nur noch zugelassen, wenn das Unternehmen nachweislich im eigenen Haus Diversity-Politik betreibt und eine Diversity-Gruppe hat. Falls das nicht der Fall ist, kann sich das Unternehmen mit einer Gruppe oder einem Verein aus der Community zusammentun und einen gemeinsamen Wagen auf die Parade schicken. „So konnten wir den Kommerz einerseits beschränken, andererseits mehr schwullesbischen, Trans- und Intergruppen die Teilnahme ermöglichen“, so Kastl.

Die „peinlichste Panne“ des CSD 2013 sei der Ausfall der CSD-Berlin-Webseite am CSD-Tag gewesen. Ob das an Überlastung oder an einer Serverattacke gelegen habe, das müsse noch geklärt werden, so der Verein.

Neben dem Abschlussbericht wurde von einem HIV-Medikamentenhersteller ein Scheck über 4.190,43 Euro an Team Berlin e.V. übergeben. Team Berlin ist eine Vernetzungsorganisation für Berliner LSBTI-Sportgruppen und -Vereine. So ein Sponsoring durch Medikamentenhersteller ist in der Community umstritten – welche wirtschaftlichen Interessen stecken hinter den Wohltaten und wie frei bleiben SpendenempfängerInnen von diesen Interessen, das sind einige der diskutierten Fragen. Für Alexandra Rohe, die den Scheck für Team Berlin entgegennahm, ist das Geld „wie ein Geschenk des Himmels“. Der Verein möchte es für die Queerspiele 2014 verwenden, ein Multisportevent für die LSBTI-Community, das im August kommenden Jahres in Lindow (30 km nördlich von Berlin) stattfinden soll.
Christian Mentz

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