Ein großer kleiner Film in Echtzeit
Der Debutfilm von Sophie Hyde erzählt die Geschichte von Billie, einer 16-Jährigen, deren Mutter, die vormals hetero, dann lesbisch lebte, nun eine Transition zum Mann vollziehen will. Dazu wird Billie kurzerhand zu ihrem leiblichen Vater ausquartiert und trifft ihre Mutter aus der im Laufe des Films James wird, nur noch dienstags, um gemeinsam Zeit zu verbringen und das Mutter-Tochter Verhältnis aufrecht zu erhalten. Derweil entdeckt auch Billie zusammen mit den gleichaltrigen Tom und Jasmine ihre Sexualität und ein vielschichtiges Begehren.
Ein Film über das Heranwachsen, eine Utopie einer komplizierten, in ihrer Zugewandtheit aber fast perfekten Familie. Und ein Film über die Überschreitung aller sexuellen Normen und Identitäten. Mit Laiendarstellern an 52 Dienstagen im Laufe eines Jahres gedreht, setzt der ambitionierte Film aus Australien Maßstäbe, sowohl was Authentizität im Spielfilm angeht, als auch den offenen Umgang mit sexuellem Erwachen jedweder Art.
Am Rande der Preisverleihung auf der Berlinale sprach SIEGESSÄULE-Verlegerin Manuela Kay mit Sophie Hyde, der Regisseurin des Films.
SIEGESSÄULE: Wie geht es dir mit dem Gewinn der ELSE?
Sophie Hyde: Ich bin begeistert und sehr froh darüber. Es ist eine große Ehre in einer Stadt wie Berlin, die für mich eine Vorreiterrolle in Sachen queer Kultur spielt, so einen Preis zu bekommen. Wir sind ja angetreten, einen Film über eine Familie und deren sehr besondere Mitglieder zu machen. Auch wenn wir das gar nicht so explizit hinterfragt haben, gehören diese Leute in unserem Film zur queer Kultur.
Der Film lief ja in der Sektion „Generation 14+“, also für ein junges Publikum. Ich im Alter von 14 hätte den Film nur schwer verkraftet, glaube ich, und habe daher gestaunt, was für ein komplexer Film den Jugendlichen da angeboten wird. Andererseits hat euer Film auch den Preis der Jugendjury, den Gläsernen Bären, gewonnen.
Ja, es ist eine sehr komplexe Geschichte, die nicht schwarz-weiß erzählt wird, nur um etwas zu vereinfachen. Wir haben sehr eng mit den drei Teenagern zusammen gearbeitet. Vieles im Film hat sich auch während der Dreharbeiten weiterentwickelt, wegen dieser drei Darsteller. Für mich waren das Wichtigste an dieser Arbeit der Austausch und die Gespräche darüber, wie wir alle in diese Welt hineinpassen und wie wir uns selbst erfinden. Hier in Berlin den Film Teenagern vorzuführen und dieses tolle Feedback zu bekommen und echte Konversationen zu führen, ist mehr, als wir zu träumen gewagt hatten. Ich glaube für viele Teenager in diesem Alter ist es wichtig, die Tiefe des Lebens zu erforschen und in diese Themen einzutauchen.
Wird „52 Tuesdays“ in Australien in die Kinos kommen und wie wollt ihr dort das junge Publikum erreichen?
Das wird echt eine schwere Aufgabe. Aber ja, der Film kommt in Australien in die Kinos. Wir wussten vorher nicht, ob er je ins Kino kommen würde, aber jetzt wird es ein kleiner Kinostart werden. Es ist sehr schwer, junge Menschen in Australien ins Kino zu bekommen, wenn nicht gerade ein großer Hollywood-Film läuft. Wir haben auch eine kostenlose Smartphone-App „My 52 Tuesdays“ erfunden. Und jeden Dienstag können Leute da einfach mitmachen. Damit haben wir eine wirklich große Menge an jungen Followers bekommen. Ich hoffe, wir erreichen damit viele, denn ich will die natürlich alle liebend gern ins Kino gehen sehen.
„Ich finde, es gibt verschiedene Arten von Wahrheiten“
Wird es auch einen Kinostart in Europa geben?
Wir haben in die Schweiz und in die Benelux-Staaten verkauft, aber ich weiß nicht, ob das für Kino oder DVD gilt. Ich weiß aber, dass er auf vielen Festivals laufen wird. Und er kommt in den USA ins Kino, was ich nie erwartet hätte.
Gratuliere! Du hast vor diesem Film Dokumentarfilme gemacht. Dies ist dein erster Spielfilm, der allerdings auch einen dokumentarischen Stil hat. Wirst du künftig beim Spielfilm bleiben oder zum Dokumentarfilm zurückkehren?
Ich liebe beides. Ich finde, es gibt verschiedene Arten von Wahrheiten, die man in verschiedenen Realitäten erforschen kann. Manchmal funktioniert es einfach nicht, die „wahre“ Geschichte von jemandem zu erzählen, da kann es sich besser anfühlen das Ganze zu fiktionalisieren. Und ich liebe es mit Schauspielerinnen und Schauspielern zu arbeiten. Obwohl unsere Darsteller alle Laien sind, war es ein großes Vergnügen so intensiv und zugleich sanft mit ihnen zu arbeiten. Also insgesamt ist die Antwort: ich mag beide Formen, es hängt vom Projekt ab.
Und was wird dein nächstes Projekt?
Bisher gibt es da nur vage Ideen.