Jumbowimpern, Glitter, Bart und Muskeln

„Briefs“ (englisch für Unterhosen) sind eine Truppe von sechs australischen Jungs, die zunächst ihr Programm „aus Daffke“ gemacht und es Freunden gezeigt haben. Das heimische Publikum war aber so begeistert und schrie nach mehr, bis vorerst in Australien immer größere Erfolge gefeiert wurden. Und nun auch auf internationaler Ebene eine abendfüllende Show gezeigt wird. Derzeit im Berliner Tipi am Kanzlerinnenamt. Schon die Künstlernamen wie Dallas Dellaforce oder Fez Fa’anana lassen auf Vergnügliches hoffen. Sie selbst sagen über ihre Show: „Es ist ein Mischmasch aus Drag, Zirkus und Trash.“
Federn gehen immer. Deshalb gleich als Opening: Fächer aus Straußengefieder. Auch wenn die Choreografie-Elemente sattsam bekannt sind: erhebliches Juchzen im Saal. Die Truppe zeigt im Folgenden meist Solonummern, was dem Prinzip von Burlesque entspricht – wie Expertin Sheila Wolf in der Pause erklärte –, eben Nummerntheater ohne roten Faden. Letzterer kann allenfalls in Gestalt der Banane ausgemacht werden. Die gelbe Frucht mit Reißverschluss taugt zum Striptease genauso gut wie, na ja zum simulierten Oralverkehr. Platt, aber wirkungsvoll.
Endlich benutzt mal wieder jemand Yello
Bei der Musikauswahl hat man sich Mühe gegeben, endlich benutzt mal wieder jemand Musik von Yello, aber auch Australiens Popklassiker wie etwa INXS („I Need You Tonight“) oder Kylie Minogue („Confide in Me“) sind vertreten.
Die Show zeigt Trash de Luxe mit Verweisen auf Lady Gagas Hang zu ausgefallenen Outfits und Amanda Lepores gepimpten Body. Die lose Abfolge zwischen skurrilen Auftritten zum Beispiel des Affenboys „Evil hate Monkey“ und Vollplaybacknummern wird ergänzt durch Akrobatik, die von „na ja“ bis „wow!“ reicht: Strapaten, Jonglage und Zaubertricks. Die Jungs sind keine Weltklasse-Artisten, aber dafür meist ausgezogen genug, dass für genügend Ablenkung gesorgt ist. Außerdem machen sie einiges mit Charme und erheblichem Schnuckel-Potenzial (wie es bei uns am Tisch genannt wurde) wett.
Ein Highlight ist die Kink-Nummer im zweiten Akt, die mit den Versatzstücken des „Dog-Play“ aufwartet und auch eine Scat-Einlage nicht scheut (dieser Teil der Nummer wurde in Hamburg, wo sie zuvor gastierten, nicht gezeigt). Das ist filthy und zynisch, hat John-Waters-Appeal. Wenn Mark „Captain Kidd“ Winmill, der auch Chef des Teams ist, am Schluss zur spritzigen Wassernummer schreitet und zwischen Trapez und Becken randaliert, bebt der Saal. Das Queer-Konzept jedenfalls geht hier auf. Die Jungs aus Priscilla-Land wissen, was sie tun, Jumbowimpern zum Bart, Glitter auf den Muckis, Arsch raus, Hüften geschmeidig. Und immer hübsch selbstironisch.
Im Publikum gab sich Berlins Burlesque-Szene die Ehre, von Jack Woodhead über Sheila Wolf bis BayBjane – und nach längerer Auszeit wieder mal hinreißend in Drag: Joey Love – neben weiteren Szenegrößen wie Gabi Decker, Harald Pignatelli und Rainer Bielfeldt.
Frank Hermann
„Briefs. The Second Coming”, Tipi am Kanzleramt, bis 28. März