Theater

Zu schwul für Berlin?

18. Feb. 2019
© Philipp Plum

Das Stück „Leben Eduards des Zweiten von England“, erzählt von der Liebe zwischen zwei Männern, Tyrannei und Intrigen. Doch vielen Theaterhäusern ist das Stück „zu schwul“

Die verbotene Liebe eines Königs zu seinem Lustknaben, für die er von seinem Volk geächtet wird und letztendlich mit dem Leben bezahlt – das ist der tragische Plot des ersten schwulen Theaterstücks der Weltliteratur. 1592 veröffentlichte Shakespeares Zeitgenosse Christopher Marlowe „Leben Eduards des Zweiten von England“, 1924 wurde das Drama von Bertolt Brecht und Lion Feuchtwanger neu adaptiert und damit auch zum ersten Stück der Moderne, das sich offen mit Homosexualität befasst.

Trotz der mutigen und spannenden Thematik ist das wortgewaltige Drama ein unbekanntes und kaum gespieltes Stück Brechts. Das Neue Globe Theater, unter der Leitung von Kai Frederic Schrickel und Andreas Erfurth, ist fest entschlossen das zu ändern. Sowohl Kai als auch Andreas waren langjährige Mitglieder des Theaterensembles „Shakespeare und Partner“, bevor sie sich nach dessen Auflösung im Jahr 2015 mit ihrem Kollegen Sebastian Bischoff selbstständig machten und das Neue Globe Theater gründeten.

Das Stück weckte auf Anhieb ihr Interesse: „Das Provokante daran ist, dass König Eduard seine Liebe über alles andere stellt. Obwohl er Ehefrau und Kind hat, will er kompromisslos an der Seite seines Geliebten leben, und das für jedermann sichtbar“, erklärt Kai. „Seine Ehefrau ist ebenfalls faszinierend: Mit ihr stellte Marlowe eine der ersten komplexen Frauenfiguren der Neuzeit in den Mittelpunkt seines Dramas.“ Das Ensemble, das häufig mit Klassikern wie Shakespeare oder Molière in Deutschland und in der Schweiz auf Tournee geht, spielt in seinen Inszenierungen gerne mit den Geschlechtern: Inspiriert von Shakespeares Zeiten werden hier weibliche Rollen auch von Männern gespielt und andersherum.

2014 hatte sich das Ensemble bereits an Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“ gewagt. Damals gastierte es noch regelmäßig im Sommertheater am Alex, jetzt wollte die Truppe nach einer zweijährigen Berlin-Pause mit einem Nachfolgerstück in die Hauptstadt zurückkehren. Doch beim Verkauf der Tourneen durch das Land stieß das Theater auf Ablehnung, mit der weder Kai noch Andreas gerechnet hatten: „Uns wurde in Gesprächen mit der Kulturamtsleitung der jeweiligen Städte klar und deutlich erklärt, dass das Stück ,zu schwul’ sei, um es dem Publikum zumuten zu können“, erzählt Kai. „Auch als wir uns an die Berliner Bühnen wandten, erhielten wir von allen Orten, deren Mietkosten infrage kamen, klare Absagen. Eine der Begründungen war zum Beispiel, dass wir in Berlin mit schwuler Thematik offene Türen einrennen würden und es keinen Grund gäbe, unser Stück aufzuführen. Aber nach dieser Logik bräuchte es auch keine heterosexuellen Theaterstücke mehr. Das hat uns echt schockiert.“

Derzeit sehen sich Kai und Andreas zu Kompromissen gezwungen. Im T-Werk Potsdam, wo das Neue Globe Theater seine Anfänge fand, feiert „Leben Eduards des Zweiten von England“ am 13. Juni Premiere, während die Berliner Aufführungen im November stattfinden sollen, im Theaterforum Kreuzberg. Die Bühne ist aber nur eine Notlösung: „Der Saal hat nicht genügend Plätze, um mit den Einnahmen unsere Ausgaben zu decken. Wir suchen also nach Unterstützer*innen, die unser finanzielles Risiko decken.“

Auch bezahlbare Proberäume sind in Berlin rar: Die Monate April und Juni sind gedeckt, doch im Mai könnte das Theater heimatlos sein, wenn sich kein Proberaum findet. Trotz aller Hürden will sich das Ensemble der Herausforderung stellen. In dem Projekt steckt zu viel Herzblut: „Wir ziehen das auf jeden Fall durch. Für uns gehört das Stück einfach nach Berlin – in die weltoffene Großstadt, in der Brecht jahrelang gelebt und gearbeitet hat.“

Elliot Zehms


Mehr Infos unter:
neuesglobetheater.de

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