Gesetzesentwurf zur Reform des „Transsexuellengesetzes“

SPDqueer über Katarina Barley: „Ihr ist bewusst geworden, dass der Entwurf schlecht ist“

25. Mai 2019
Sarah Ungar

25.05.19 - Am 8. Mai hatten das Innen- und Justizministerium einen Gesetzesentwurf für ein neues „Transsexuellengesetz“ (TSG) vorgelegt, der von den Communityverbänden und der Opposition abgelehnt wurde. Statt trans* Personen einen selbstbestimmten Weg zur Änderung ihres Geschlechtseintrags und des Vornamens zu ermöglichen setzt der Entwurf auf Beratungspflicht, Anhörungen und Gerichtsverfahren. (SIEGESSÄULE berichtete) Die SPDqueer legte daraufhin eine Stellungnahme vor und geriet in Kritik, weil sie die Schuld daran relativ einseitig auf das von Horst Seehofer (CSU) geführte Innenministerium schob. Dabei war das Jusitizministerium unter der Leitung von Katarina Barley (SPD) federführend an dem Entwurf beteiligt gewesen, wie das Ministerium auf Nachfrage von SIEGESSÄULE bestätigte. Milan Ziebula sprach mit Sarah Ungar, stellvertretende Bundesvorsitzende der SPDqueer.

Sarah Ungar, was sagt die SPDqueer zu dem Gesetzesentwurf, der das sogenannte „Transsexuellengesetz“ (TSG) ablösen soll? Wir lehnen diesen Entwurf komplett ab und fordern, dass die Koalition ein menschenrechtsorientiertes Gesetz macht, in dem die Selbstbestimmung im Mittelpunkt steht. Das für die Änderung des Geschlechtseintrags Ehepartner*innen angehört werden sollen, ist beispielsweise eine Rolle rückwärts. Dann entpuppt sich diese verpflichtende „qualifizierte Beratung“, wie sie genannt wurde, faktisch als Begutachtung. Zudem kritisieren wir, dass die Regelungen für inter* Personen nochmal verschärft werden. Intergeschlechtlichkeit wird jetzt an körperlichen Merkmalen festgemacht. Für diesen Personenkreis ist zudem eine Begutachtung durch entsprechende Fachpersonen vorgesehen.

Was ist los mit der SPD? Warum trägt Bundesjustizministerin Katarina Barley diesen Entwurf zum TSG mit? Zur Europawahl hatte sie sich noch als große Unterstützerin von LGBTIQ-Rechten präsentiert … Ich denke, Katarina Barley ist sehr bewusst geworden, dass der Referentenentwurf ziemlich schlecht ist. Menschen aus unserem Bundesvorstand und aus der Community hatten sie in den letzten Tagen bei Veranstaltungen angesprochen und darauf hingewiesen. Sie hat gesagt, dass dieser Entwurf auch überarbeitet werden soll.

Hat sie sich dazu schon konkreter geäußert? Am Montag auf einer Wahlkampfveranstaltung in München hat sie gesagt, dass es beispielsweise bei der Anhörung der Ehepartner*innen noch zu Änderungen kommt. Da sagte sie auch: „Das geht gar nicht". Sie hat zudem gesagt, dass die Reform nicht kommen wird, wenn die Community sie ablehnt.

Sind das für euch Anzeichen, dass sie sich überfahren gefühlt hat? Davon gehe ich aus. Ich weiß nicht, wie im Moment die Arbeitsbelastung des Ministeriums aufgrund der vielen parallelen Themen und des Europawahlkampfs ist. Aber ich denke, dass Katarina Barley gar nicht so sehr eingebunden worden ist. Als die durchweg ablehnenden Reaktionen durch die Verbände kamen, hat sie mit Verbandsvertreter*innen gesprochen.

In eurem Statement zur Reform habt ihr nahegelegt, das Innenministerium habe das Justizministerium unter Druck gesetzt und die Situation ausgenutzt, dass Barley gerade zur Europawahl sehr beschäftigt ist, um so den Entwurf durchdrücken zu können. Ist das nicht eine Ausrede?
Die Beteiligung des Justizministeriums war uns in dieser Deutlichkeit nicht klar, als wir unsere Pressemitteilung am 10. Mai herausgegeben haben. Wir wurden ja auch dafür kritisiert, dass wir darin nur das Bundesinnenministerium kritisiert haben. Natürlich sind es zwei Ministerien, die hier gleichermaßen an einem Gesetzentwurf gearbeitet haben und deswegen rufen wir das BMJV und das BMI dazu auf, diesen Entwurf nicht weiter zu verfolgen und ein modernes Selbstbestimmungsrecht zu schaffen.

In eurem Statement stand auch, dass durch die Reform des TSG bestehende Beratungsstellen und Selbsthilfestrukturen wohl nicht gestärkt würden. Wie kommt ihr zu der Annahme?
Das Geld kann eben nur einmal verteilt werden. Nach dem Entwurf würde es an Psychater*innen, Psycholog*innen oder Ärzt*innen gehen und beispielsweise nicht an eine peer-to-peer-Beratung, die von verschiedenen Communityverbänden wie der dgti oder TransInterQueer in Berlin angeboten wird. Das wäre für mich aber die einzig sinnvolle und angemessene Beratung in diesem Verfahren. Wenn ich den Weg der Vornamens- und Personenstandsänderung gehe, dann kann es hilfreich sein, im Rahmen einer peer-to-peer-Beratung von anderen Personen Einblicke zu erhalten, die diesen Weg bereits gegangen sind.

Interview: Milan Ziebula

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