Welt-Aids-Tag 2023

40 Jahre Deutsche Aidshilfe

1. Dez. 2023 Selina Hellfritsch
Bild: DAH/Johannes Berger
Holger Wicht, Pressesprecher der DAH

Seit 40 Jahren setzt sich die Deutsche Aidshilfe (DAH) für die Interessen von Menschen mit HIV/Aids ein. Prävention und Gesundheitsförderung zählen zu ihren zentralen Punkten. Zum Jubiläum sprach SIEGESSÄULE mit Holger Wicht von der DAH

40 Jahre Deutsche Aidshilfe – was bedeutet das für euch? Wir freuen uns, was aus der Idee der Aidshilfe alles entstanden ist. Es fing als Notfallmaßnahme in der Aids-Krise an. Damals ging es darum, Informationen an die Community weiterzugeben, sich um Kranke und Sterbende zu kümmern und gegen Stigmatisierung zu kämpfen. Mittlerweile geht es noch um so viel mehr! Wir sind beispielsweise zu Expert*innen in Sachen Sexualität geworden. Und wir wissen, wie wir benachteiligten Gruppen geben können, was sie für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden brauchen, zum Beispiel neben schwulen Männern auch trans* und nicht binären Menschen oder Drogen konsumierenden Menschen.

Auf welche Errungenschaften seid ihr besonders stolz? Wir haben wahnsinnig viel erreicht! Viele Fortschritte wären ohne die selbstbewusste Reaktion der Communitys auf die Aids-Krise nicht möglich gewesen. Die Emanzipation schwuler Männer wurde letztlich vorangetrieben. Für heroinabhängige Menschen gibt es heute Substitutionstherapien und Spritzenautomaten – vor Aids war das undenkbar. Selbstbewusste Patient*innen, Friedhofsordnungen und so weiter: Es hat in vielen Bereichen ein Umdenken stattgefunden. Nicht zuletzt haben wir in der Prävention eine Zusammenarbeit von Staat und Organisationen wie uns, die in der Selbsthilfe verwurzelt sind. Das musste erkämpft werden und ist nicht selbstverständlich.

„Vorurteile kosten Menschen mit HIV mehr Lebensqualität als die Infektion selbst."

Stichwort Stigma – hat sich in den letzten Jahren viel verändert? Natürlich sind wir weit entfernt von der Panik und der Ausgrenzung in den 80ern. Menschen mit HIV sind aber im Alltag noch immer mit Stigmatisierung, Abwertung und Diskriminierung konfrontiert. Vorurteile kosten sie mehr Lebensqualität als die Infektion selbst. Das dürfen wir nicht hinnehmen! Genau diese Botschaft transportiert auch die Welt-Aids-Tags-Kampagne „Leben mit HIV. Anders als du denkst?“, die wir mit der BZgA und der Deutschen AIDS-Stiftung machen. Viele Leute haben noch nicht verstanden, dass heute ein langes und gutes Leben mit HIV möglich ist und dass das Virus unter Therapie nicht übertragbar ist.

Aids hat viele Opfer gefordert. Wird dieses Thema innerhalb der schwulen Community als Trauma wahrgenommen? In den 80ern und 90ern haben schwule Männer eine Katastrophe durchlebt. Reihenweise sind Freunde und Menschen aus ihrem Umfeld gestorben. Für viele war das traumatisierend. Wer sich heute infiziert, wird nicht mehr an Aids sterben. Jüngere Menschen haben daher eine ganz andere Erfahrung und Wahrnehmung – zum Glück! Beim Sex Angst um sein Leben zu haben wünsche ich wirklich niemandem. Auch jüngere schwule Männer erleben HIV aber noch als Bedrohung.

„Das Ende von Aids ist schon lange möglich, die Mittel haben wir längst in der Hand.“

Berlin ist Teil der Fast-Track-Citys-Initiative, die zum Ziel hat, Aids bis 2030 zu beenden. Ist das realistisch? Das Ende von Aids ist schon lange möglich, die Mittel haben wir längst in der Hand. Wenn HIV rechtzeitig behandelt wird, erkrankt niemand an Aids. Das Ziel ist ein politisches: Alle Menschen müssen Zugang zu HIV-Tests und Behandlung haben. Der Berliner Haushalt sah im HIV-Bereich zuletzt massive Kürzungen für 2024 vor, die zum Glück abgewendet werden konnten. Trotzdem bleibt es bei einer faktischen Kürzung durch die Inflation und höhere Lohnkosten. Das kann zu verspäteten Diagnosen und bei Menschen ohne Aufenthaltspapiere oder Krankenversicherung sogar zu Behandlungsunterbrechungen führen. Im Jahr 2024 in einer Fast-Track-City darf das nicht sein!

Was passiert, wenn wir das Ende von Aids erreichen? Wir wollen nicht voreilig sein: Es gibt noch viele Hindernisse – darunter die Stigmatisierung. Die lässt ja auch Menschen vor dem HIV-Test zurückschrecken, der ihre Gesundheit retten könnte. Es ist ein Skandal, dass es Aids immer noch gibt, und die Probleme werden nicht einfach verschwinden. Die gute Nachricht lautet: Aids lässt sich längst verhindern, wir müssen es nur tun. Hoffentlich bald für alle Menschen weltweit.

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