Vernissage am 3. November

Ausstellung von Sabatino Cersosimo: Queere Kunst auf Stahl

31. Okt. 2023 Carsten Bauhaus
Bild: Sabatino Cersosimo
„L‘abisso, in superficie“ (2021) von Sabatino Cersosimo

Sabatino Cersosimo malt auf Stahl und nutzt die Alterungsprozesse des Materials für seine Kunst. Seine Themen: Anti-Helden, Mythen und queere Identitäten. Arbeiten von ihm sind ab Anfang November im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung zu sehen

Ein nackter junger Mann auf dem Boden: Er ist ganz in sich gekehrt in einer Art kindlichen Pose, zusammengefaltet wie ein kompaktes Paket. Auf den ersten Blick scheint er ganz bei sich zu sein – doch sein erschreckter Blick starrt in die Leere. Mit „L’abisso, in superficie” (Der Abgrund, an der Oberfläche) bezieht sich Sabatino Cersosimo auf den Mythos des Narziss: „Ich liebe die Anti-Heroen, die Unglücklichen, die Opfer“ erzählt Cersosimo SIEGESSÄULE. „Narziss ist eine Figur, die ganz auf sich selbst konzentriert, aber dafür sehr einsam ist. Seine Besessenheit von sich selbst treibt ihn dazu, immer tiefer nach innen zu schauen. Bei dem Versuch, diesen Grund zu erreichen, verirrt er sich, stürzt ab, stirbt.“ Die Figur ist ganz traditionell in Öl gemalt, der Malgrund aber ist ungewöhnlich: Es ist eine offensichtlich an einigen Stellen schon oxidierte Stahlplatte. 

Kunst, die altert und sich verändert

2012, ein Jahr nach seinem Umzug nach Berlin, entdeckte der gebürtige Turiner durch Zufall die Faszination des Malens auf Stahl, die heute zu seiner präferierten Technik geworden ist: Ein kleines Selbstporträt, das er versuchsweise auf einer Stahlplatte malte, zeigte nach einigen Wochen eine Patina aus Rost, genau dort wo die Feuchtigkeit seiner Hände Spuren hinterlassen hatte: Das Werk veränderte sich ungewollt. „Ich begann die Unmöglichkeit zu akzeptieren, die komplette Kontrolle über meine Arbeit zu haben“, erinnert sich Cersosimo. Zeit und Zufall wurden so zu Elementen seiner Arbeit, Veränderungs- und Alterungsprozesse zu seinen Themen: Seine Werke altern wie das dargestellte Leben auf den Bildern selbst.

„Ich begann die Unmöglichkeit zu akzeptieren, die komplette Kontrolle über meine Arbeit zu haben.“

„Das Konzept der Veränderung des Werks, das initiiert, aber nicht immer kontrolliert wird, lässt mich an die kontinuierliche und starke Transformation der queeren Identität in den letzten 50 Jahren denken“, so Cersosimo. Seine Modelle sind oft Freunde, die er nach seinen Anweisungen posieren lässt. „Es sind Personen, die ich schätze oder die der künstlerischen Vision entsprechen, die ich verfolge – wie eine Verlängerung meiner Gedanken und Gefühle“, so Sabatino Cersosimo. Seine Inspirationen entnimmt er dabei sehr unterschiedlichen Figuren der Kulturgeschichte: Ophelia, die Lorelei, Goya, Botticelli oder etwa Elfriede Jelineks „Klavierspielerin“. 

Ausstellung „The Vanishing Bodies”

Ab 3. November sind seine Bilder unter dem Titel „The Vanishing Bodies” im Max-Planck-Institut für Bildungsforschung zu sehen. „Es gibt keinen eigenen Raum für die Ausstellung“, erklärt Cersosimo das Konzept der Hängung. „Die Gemälde werden auf dem gesamten Parcours gezeigt, der die Besucher*innen durch die Kreuzung von Treppen und Etagen und Gängen zu den verschiedenen Abteilungen des Instituts führt.“ Das Dahlemer Gebäude aus den 70er Jahren steht heute unter Denkmalschutz. Die unverwechselbare verschachtelte Architektur sowie seine weitläufigen multidimensionalen Räume sollten damals ganz im Geist der Zeit die Verbindungen zwischen Mensch und Raum sowie dem Individuum und dem Sozialen verdeutlichen. Mit den Werken Sabatino Cersosimos wird dieser Ansatz um eine weitere Schicht bereichert. 

„Als queerer Mensch stecke ich viel von meiner Erfahrung, meiner Sensibilität, meinen Emotionen und meinen Sorgen in meine Bilder“

„Als queerer Mensch stecke ich viel von meiner Erfahrung, meiner Sensibilität, meinen Emotionen und meinen Sorgen in meine Bilder“, erzählt Sabatino Cersosimo. „Die Bestätigung der queeren Identität ist ein Weg voller Freude, Befriedigung und Enttäuschung. Ich glaube, dass meine Bilder in gewisser Weise einen Zustand widerspiegeln können, der mir selbst, aber auch vielen anderen Männern entspricht – und der oft von literarischen und mythologischen Figuren transponiert wird.“ 

Sabatino Cersosimo: The Vanishing Bodies,
03.11.–04.01.,
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung,
Lentzeallee 94,
14195 Berlin,
Vernissage: 03.11., 18:00

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