Interview mit Clubcommission

Berliner Clubs in der Krise: „Kein Notfallplan“

30. Aug. 2022 Carsten Bauhaus
Bild: Guido Woller
Wie geht´s weiter mit den Berliner Clubs? Foto: „Popkicker“ im SchwuZ

Der Herbst steht vor der Tür, eine mögliche erneute Verschärfung der Corona-Auflagen schwebt wie ein Damoklesschwert über den Clubs. Auch Personalmangel und steigende Kosten machen der Branche zu schaffen. Ist die Clubkultur in der Hauptstadt wieder ernsthaft in Gefahr? SIEGESSÄULE sprach mit Lutz Leichsenring von der Berliner Clubcommission

Lutz, im Moment scheinen sich die Leute unbeschwert in den Clubs zu amüsieren. Trotzdem habt ihr für den Herbst und Winter Alarm geschlagen. Was sind die größten Sorgen, die die Clubbetreiber*innen umtreibt?

Die größten Herausforderungen sind der Personalmangel und die mangelnde Planungssicherheit in Bezug auf kommende Covid-Maßnahmen. Und beides hängt natürlich auch zusammen: Wer sich während der letzten Lockdowns einen anderen Job besorgt hat, überlegt es sich zweimal ins Nachtleben zurückzukehren, wenn er oder sie nicht weiß, was im Herbst auf uns zukommt: „Habe ich im Nachtleben überhaupt Perspektive, muss ich bald wieder in die Kurzarbeit?“ Die Frage, was im Herbst passiert, hängt wie ein Damoklesschwert über der Clubszene. Wenn eine Maskenpflicht in Innenräumen kommt, wäre das für uns als Clubs nicht umsetzbar, aus diversen Gründen.

„Ein Tanzverbot wie letzten Herbst wäre eine Katastrophe für uns“

Wird die Clubkultur von der Politik nicht mitgedacht?

Absolut. Unsere Kritik richtet sich allerdings vor allem an die Bundespolitik. Die Landespolitik ist abhängig von deren Infektionsschutzgesetz, das sie dann nur noch in Nuancen abwandeln kann. Im Moment scheinen wir die einzigen zu sein, die die Probleme auf dem Schirm haben. Ein Tanzverbot wie letzten Herbst wäre eine Katastrophe für uns. Aktuell gibt es dazu noch keine Debatte, keinen Notfallplan. Wenn wir jetzt früh die Alarmtrommeln schlagen, dann mit der Hoffnung, dass sich doch noch was bewegt. Also konkret, dass rechtzeitig Überbrückungsgelder und Kurzarbeitergeld bereit gestellt werden. Und dass unser PCR-Modell umgesetzt wird.

Wie sieht das von euch vorgeschlagene PCR-Modell aus?

Wir haben zusammen mit der Charité ein Notfallkonzept entwickelt: das sogenannte PCR-Modell, bei dem man konsequent auf Masken verzichten kann. Die Idee ist, mit sicheren Kohorten einen Raum zu schaffen, in dem alle kein belastendes Virus haben. Am Donnerstag oder Freitag testet man sich in einem von 20 verschiedenen Testzentren, die in den Clubs eingerichtet werden. Nach drei bis vier Stunden ist dann das Ergebnis da. Mit dem negativen Ergebnis hat man dann den Freifahrtschein, das Wochenende durchzufeiern.

Wie lässt sich das finanzieren? Müssen die Feiernden selbst bezahlen?

Um Kosten zu sparen, werden Massenpooltests gemacht, wie sie sich in Österreich schon bewährt haben. Die Abstriche werden also nicht einzeln getestet, sondern in Pools von 100 Proben. Wir haben bereits mit Laboren verhandelt, die einen solchen PCR-Massentest für 15 Euro pro Person anbieten könnten. Er würde also etwa so viel kosten wie ein Schnelltest und könnte deshalb für die Feiernden umsonst angeboten werden.

„Alles ist teurer geworden. Die Soundtechnik, die Mietgeräte, alles“

Das wäre sicher gut, da die Preise fürs Ausgehen sowieso gestiegen sind. Was sind die Gründe hierfür?

Es sind vor allem die Eintrittspreise, die angehoben werden mussten. Die Gründe sind vielfältig. Alles ist teurer geworden. Die Soundtechnik, die Mietgeräte, alles. Der Personalmangel betrifft dabei auch die Freiberufler und Dienstleister. Und Mangel führt automatisch zu steigenden Preisen. Gleichzeitig gibt es auf der anderen Seite eine gestiegene Nachfrage, da gerade viele Veranstaltungen und Konzerte nachgeholt werden, die vorher ausfallen mussten.

Gibt es Rückmeldungen, wie sich diese gestiegenen Preise auf die Besucherzahlen auswirken?

Die Clubs sind unterschiedlich betroffen. Die im Vergleich zu früher wenigen Tourist*innen finden hauptsächlich in die angesagten Clubs. Aber die weniger bekannten sind eher vom Gästeschwund betroffen. Auch Live-Konzerte oder kleinere Festivals sind teilweise nicht ausverkauft. Wenn etwa wegen der Inflation das Geld fehlt, gehen die Leute im Sommer eben nur zu einem statt zu zwei Festivals.

Bild: Berliner Clubcommission
Lutz Leichsenring

Führt dies nicht automatisch zu einer Zweiklassengesellschaft im Nachtlebenwenn sich das nicht mehr alle leisten können?

Da muss man tatsächlich höllisch aufpassen. Einerseits sind wir immer noch weit entfernt von Eintrittspreisen wie sie in anderen europäischen Städten aufgerufen werden. Andererseits ist in Berlin aber auch die Einkommenssituation eine andere. Und Gästelisten oder ähnliches helfen auch nur bedingt bei der Abmilderung des Problems.

Inwiefern bekommen die Clubbetreiber*innen die Energiekrise jetzt schon zu spüren?

Dass die Energiepreise gerade durch die Decke gehen, kommt als Problem auf uns so richtig erst nächstes Jahr zu, wenn beispielsweise Nachzahlungen anstehen. Die Hilfen aus dem Hauptstadtkulturfonds, mit denen das Land den Clubs wegen der Pandemie unter die Arme greifen wollte, werden wohl komplett für gestiegene Energiekosten draufgehen – und haben so ihren eigentlichen Sinn nicht erfüllt.

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