Debatte ums Humboldt Forum: Verantwortung zeigen
Das mittlerweile teileröffnete Humboldt Forum im Berliner Stadtschloss stand von Beginn an in der Kritik. Im Brennpunkt: der Umgang mit Kolonialgeschichte und mit im Kolonialismus geraubten Kulturgütern. SIEGESSÄULE-Kolumnistin Michaela Dudley fasst die Debatte zusammen
Wie kann man globale Themen, beziehungsweise weltweite Entwicklungen der Kultur und der Wissenschaft, unter einem Dach präsentieren? Und was genau darf man dabei unternehmen? Das sind die Gretchenfragen, die das Humboldt Forum sich selbst stellt. Aber stellt es sich auch der Verantwortung, die eine solche Institution in unserer modernen Welt trägt?
Das im Berliner Schloss neu errichtete Universalmuseum, dessen Grundsteinlegung im Juni 2013 stattfand, ist ein Haus mit vielen Akteur*innen. Denn es setzt sich zusammen aus verschiedenen Sammlungen, und will mit einer breiten Palette von Ausstellungen und Events aufwarten. Zu den primären Partnern der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss gehören die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), das Ethnologische Museum sowie das Museum für Asiatische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin (SMB), die Kulturprojekte Berlin und das Stadtmuseum Berlin sowie die Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Gemeinsam hegen sie den Anspruch, einen „einzigartigen Ort des Erlebens und der Begegnung“ zu schaffen. Ein Ort, der verbinden soll.
Leerstelle Kolonialzeit
Bisher erscheint das Humboldt Forum jedoch eher als ein Ort, mit dem Konflikte verbunden sind. Das Haus stand schon in der Kritik, noch bevor der erste Spatenstich erfolgte. Denn die Baukosten nahmen stets zu und bezifferten sich schlussendlich auf rund 690 Millionen Euro. Doch damit nicht genug: Ungeachtet des erklärten Wunsches des Forums, nach vorne zu schauen, entspannte sich eine Kontroverse um die Vergangenheit vieler der ausgestellten Exponate – genauer: um Kolonialgeschichte und den richtigen Umgang damit.
Bei der Zeremonie, mit der am 22. September die gemeinsame Eröffnung des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst gefeiert wurde, bemerkte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: „Die Wahrheit ist: Wenn es um die Kolonialzeit geht, haben wir sonst so geschichtsbewussten Deutschen allzu viele Leerstellen. Wir haben blinde Flecken in unserer Erinnerung und unserer Selbstwahrnehmung.“
Was passiert mit den Benin-Bronzen?
Anwesend bei der Feier waren auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters und die nigerianische Autorin Chimamanda Ngozi Adichie. Gut so. Denn es gab und gibt nach wie vor Gesprächsbedarf bezüglich der Weigerungshaltung, die dem Humboldt Forum vorgeworfen wird. Stichwort: Rückgabe der Benin-Bronzen.
Dabei handelt es sich um Hunderte von Metalltafeln und Skulpturen, die ab dem 16. Jahrhundert den Palast des Königreiches Benin, im heutigen Südwesten Nigerias, verzierten. Benin war es lange gelungen, unabhängig zu bleiben. Doch der europäische Wettlauf um Afrika hatte es auch auf das kleine Königreich abgesehen. 1884 versuchte das deutsche Handelshaus G.L. Gaiser, das Mahinland an der Bucht von Benin zu kolonisieren. Nach dem Abschluss der hier in Berlin veranstalteten Westafrika-Konferenz 1885 führte Großbritannien konsequente Kolonialkriege gegen Benin, und zwar unter dem Vorwand, den in Benin stattfindenden Sklavenhandel beenden zu wollen. Bei der Invasion, die 1897 vonstatten ging, starben hunderte unschuldige Menschen. Der Palast wurde geplündert. Um die 5000 königliche Schätze wurden erbeutet und vorwiegend in Londoner Auktionshäusern versteigert. Viele Stücke gelangten dabei auch nach Deutschland. Museen und private Sammler hatten Blut geleckt, deutsche Söldner nahmen an Strafexpeditionen teil, um noch mehr Raubkunst zu ergattern.
„Alle Menschen, die in solchen Institutionen heute Verantwortung tragen, müssen auch verantwortungsvoll handeln“
Laut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befinden sich heute rund 530 beninische Kunstschätze in der Sammlung in Berlin, davon soll etwa die Hälfte im Ethnologischen Museum im Humboldt Forum ausgestellt werden. Lange hat man sich davor gedrückt, die Frage, ob einst geraubte Kulturgüter zurückgegeben werden sollen, verbindlich zu beantworten. Rückgaben von Objekte aus dem historischen Königreich Benin an Nigeria sollen schon nächstes Jahr erfolgen, beteuert der Stiftungsleiter Hermann Parzinger. Wegen der komplizierten Lage in Deutschland müsse man aber auch berücksichtigen: „Die jeweiligen Museen und deren Träger, Länder oder Kommunen, entscheiden natürlich selbst über ihre Sammlungen.“
Keine Person, die heute in den Sammlungen, Stiftungen und Museen tätig ist, war an dem rassistischen Raubmord beteiligt. Aber alle Menschen, die in solchen Institutionen heute Verantwortung tragen, müssen auch verantwortungsvoll handeln. Es bleibt zu hoffen, dass die Frage der Rückgabe und der wirklich partnerschaftlichen Kooperation auf Augenhöhe mit den Herkunftsländern vorangetrieben wird.
Lesbisch-feministische Führung durch die „Berlin Global“-Ausstellung im Humboldt Forum, 27.11., 16-17:30
Michaela Dudley: Race Relations: Essays über Rassismus. Grüner Sinn-Verlag, erscheint im Februar 2022
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