Erst 162 Anträge

Entschädigung für queere Soldat*innen

10. März 2023 Marlon Jungjohann
Bild: Bundeswehr / Marcus Rott
Stabshauptmann Marco Müller von der Rehabilitierungs-und Entschädigungsstelle

Etlichen queeren Soldat*innen steht seit 2021 gesetzlich Geld zu, das viele jedoch bislang nicht eingefordert haben. Konkret entschädigt Deutschland Angehörige der Bundeswehr, die dort aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität diskriminiert und benachteiligt wurden. Doch der Anspruch auf Zahlungen verfällt in einigen Jahren

Bis 2000 galt bei der Bundeswehr offiziell: Queere Soldat*innen sind erpressbar und schlechte Vorbilder. Nachdem man sie jahrzehntelang degradierte oder entließ, haben seit 2021 alle Opfer dieser Leitlinie Anrecht auf eine individuelle Entschuldigung. Mehr noch: Mit dem Rehabilitierungsgesetz stehen Soldat*innen, die bis zur Aufhebung der queerfeindlichen Praxis am 3. Juli 2000 dienstrechtlich benachteiligt wurden, einmalig symbolische 3.000 Euro zu.

„Was wir hier tun, ist Vergangenheitsbewältigung“, sagt Stabshauptmann Marco Müller von der Rehabilitierungs- und Entschädigungsstelle (RehaHomStelle) der Bundeswehr. „Der Aussöhnungsprozess lebt vom Bekenntnis des Verteidigungsministeriums, dass damals Unrecht geschehen ist. Diese Feststellung bekommen die Betroffenen schwarz auf weiß.“

Nur noch vereinzelt Anträge

Die Bundeswehr-Studie „Tabu und Toleranz“ stellte fest, dass rund tausend Soldat*innen, auch ehemalige der Nationalen Volksarmee der DDR, Anträge auf Rehabilitierung stellen können. Erst 162 von ihnen haben das bislang getan. Dabei stehen Zahlungen aus dem sechs Millionen Euro schweren Entschädigungstopf nur noch bis zum Stichtag 23. Juli 2026 bereit. Danach gibt die Bundeswehr auf Antrag zwar Bescheinigungen über Rehabilitierungen aus, die symbolische Zahlung entfällt jedoch.

Eine der größten Herausforderungen sei es, so Müller, die Antragsberechtigten über ihre Ansprüche auf Entschädigung zu informieren: „Wir stehen weiterhin im engen Austausch mit Vereinen, Stiftungen und Ansprechstellen, die das gemeinsame Thema der Rehabilitierung und Entschädigung als Multiplikatoren zu den Betroffenen transportieren können. Hier gilt es, weiterhin am Ball zu bleiben, um gerade den lebensälteren Betroffenen durch Kenntnis des Gesetzes überhaupt die Chance zur Antragstellung zu ermöglichen." Nach der ersten Antragswelle kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes würden im Moment nur noch vereinzelt Anträge eingehen.

Entschädigung innerhalb kurzer Zeit

Für viele sei das Antragsverfahren die erste Auseinandersetzung mit dem eigenen Wehrdienst nach Jahrzehnten. „Ich höre oftmals, dass die Betroffenen dieses dunkle Kapitel ihrer Dienstzeit eigentlich abgeschlossen hatten. Es hat sie Mut und Überwindung gekostet, sich noch mal mit den persönlichen Verletzungen auseinanderzusetzen“, sagt Müller. Darum hält die RehaHomStelle Hürden niedrig. Auch wenn dienstrechtliche Vorfälle schon viele Jahre zurückliegen, genügt es, die Sachverhalte per Formular mitzuteilen. Ihre Ansprüche können Betroffene ebenso über das digitale Bundeswehr-Portal „REHAHOM” geltend machen.

Nachweise wie entsprechende Personalverfügungen sind hilfreich, aber kein Muss. „Wir begegnen den Angaben mit Vertrauen und schenken den Darstellungen grundsätzlich erst einmal Glauben, wie es das Gesetz auch vorsieht.“ Die Entschädigung ergehe oft innerhalb weniger Wochen. „Wenn ein Antrag bereits begründende Unterlagen enthält, wie einen Nachweis über den Wehrdienst, kann die abschließende Entscheidung und die Zahlung der Entschädigung oft innerhalb einer Woche ergehen. Langwieriger sind manchmal die Verfahren früherer Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR, weil wir hier Abfragen zum Wehrdienst über das Bundesverwaltungsamt laufen lassen müssen", sagt Müller.

Verlorene Renten- und Pensionsansprüche ersetzt die RehaHomStelle nicht. Müller aber will den Soldat*innen zumindest helfen, die Vergangenheit zu verarbeiten: „An diejenigen, die mit einer Antragstellung hadern: Meldet euch, wir nehmen jedes Vorbringen ernst!“

Infos zur Rehabilitierung unter: bundeswehr.de

Kontakt:

Bundesministerium der Verteidigung, Antragstelle für die Rehabilitierung und Entschädigung nach dem SoldRehaHomG, Postfach 13 28,

53003 Bonn,

E-Mail: BMVgRIII5RehaHom@bmvg.bund.de

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