„Feuer + Flamme dem Patriarchat“ im Schwulen Museum

Fotos der Frauen-Lesben-Bewegung in den 1980er- und 90er-Jahren in Berlin

6. Aug. 2025 Carsten Bauhaus
Bild: Petra Gall
„Nacht der bösen Mösen“, 1993 im SO36

Petra Gall (1955–2018) war Reisejournalistin, Mode- und Musikfotografin. Im Zentrum der Ausstellung „Feuer + Flamme dem Patriarchat“ im Schwulen Museum steht jedoch ihre fotografische Dokumentation der Berliner Frauen-Lesben-Bewegung der 1980er- und 90er-Jahre

Zwei junge Lesben im Punk-Look tanzen über der brodelnden Menge. Zwei weitere präsentieren sich selbstbewusst als Leder-Mackerinnen. Petra Galls Aufnahmen von der „Nacht der bösen Mösen“, 1993 im SO36, sind zwei von etwa 200.000 Aufnahmen, die im Archiv des Schwulen Museums (SMU) aufbewahrt werden und nun die Ausstellung „Feuer + Flamme dem Patriarchat“ bereichern. „Die Fotos von den Partys scheinen heute sehr ungewöhnlich, wo doch sehr viel Wert gelegt wird auf einen geschützten Raum“, erzählt Birga Meyer, die die Ausstellung zusammen mit Collin Klugbauer kuratiert hat. „Aber Petra Gall war eben damals immer selbst dabei, und weil sie dazugehörte, war es ihr auch erlaubt zu fotografieren.“

Bild: Petra-Gall
Impression der Walpurgisnacht 1983
„Trotzdem wird heute oft vergessen, wie viel schon damals gemacht und auch erreicht wurde, wie gekämpft wurde, aber auch wie gefeiert wurde und wie viel Spaß man hatte.“

Petra Gall war 20 Jahre lang viel unterwegs: Bei Frauen-Lesben-Demonstrationen, Walpurgisnächten und Kunstaktionen, auf Partys und in besetzten Häusern. Auch die Anfänge von Institutionen in den 80er-Jahren, die heute noch Bestand haben, wie das Frauenstadtteilzentrum Schokofabrik oder die Begine, hat sie begleitet. „So viel ist seit den 80er-Jahren schon erreicht worden, aber es gibt natürlich ewige Themen, die weiter verhandelt werden, wie gleicher Lohn, das Recht auf den eigenen Körper, Gewalt gegen Frauen“, so Meyer. „Trotzdem wird heute oft vergessen, wie viel schon damals gemacht und auch erreicht wurde, wie gekämpft wurde, aber auch wie gefeiert wurde und wie viel Spaß man hatte.“

Galls Fotos frischen nun das queere und feministische Gedächtnis auf. Darunter finden sich auch ihre expliziten BDSM-Aufnahmen, die lesbische Lust jenseits der Klischees zeigen. „Es gab ja damals eine Auseinandersetzung, ob etwa BDSM patriarchale Gewalt reproduziert“, erklärt Klugbauer. „Andere hielten dagegen, dass man die Lust leben wollte, solange Konsens herrscht. Und Petra Gall war ganz klar auf der sexpositiven Seite.“

Erster sexpositiver Ort für Frauen

Überhaupt erzählt die Ausstellung die Geschichte der Frauen-Lesben-Bewegung explizit aus der Sicht der Fotografin: „Sie dokumentiert die Szene, in der sie sich bewegt hat und blendet anderes aus“, betont Meyer. „So sieht man auf den Fotos von Petra Gall etwa fast ausschließlich weiße Frauen. Auch die DDR-Lesben sind eine Leerstelle geblieben. Wir haben trotzdem versucht, gewisse Konflikte mitzuerzählen, wie etwa die Frage, wie weiß, wie bürgerlich und wie akademisch die Bewegung damals war.“

Petra Gall wohnte auf der Potsdamer Straße direkt gegenüber der Begine und dem Pelze, noch heute legendär als erster sexpositiver Ort für Frauen, in dem auch öffentlich BDSM praktiziert wurde. 1981 eröffnet, bezog sich der Name auf das Pelzgeschäft, das sich zuvor dort befunden hatte.

Bild: Petra Gall
Das Pelze war in den 80er-Jahren ein legendäre Ort für die Frauen-Lesben-Bewegung

Schon rein räumlich steht das Pelze im Zentrum der aktuellen Ausstellung. „Das Pelze war ein total cooles, kreatives Projekt, wo der Raum sehr speziell bespielt wurde“, so Klugbauer. „Es ist als Kulturort sehr spannend, wo grundlegend etwas anders gemacht wurde in der Verknüpfung von Kunstort, Sexpartys und einem Ort der Community, wo man sich kennenlernen oder einfach abhängen konnte.“

1996 schloss das Pelze endgültig seine Türen. Auf der Zeitreise im SMU ist es nun wiederzuentdecken, zusammen mit vielen anderen Dingen, die verloren sind – oder auch bis heute Bestand haben. „Es war schon eine besondere Situation in den 80er- und 90er-Jahren in Berlin“, so Meyer. „Es gab viel Leerstand, viel Verfall, die Lebenshaltungskosten waren sehr viel geringer. Das erklärt eben auch, warum man es sich damals einfach leisten konnte, so viel Zeit in politisches Engagement und queerfeministische Projekte zu investieren.“

Petra Gall: Feuer + Flamme dem Patriarchat
noch bis 23.02., Schwules Museum
Lützowstr. 73, Mitte
schwulesmuseum.de/ausstellung/feuer-flamme-dem-patriarchat

Führungen
09., 21.+ 23.08., 16:00 (DE)
07.+28.08., 18:00 (EN)

Erster sexpositiver Ort für Frauen

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