Interview mit Thomas Hoffmann vom CSD e. V.

„Geh wählen und wähl Liebe!“ – Winter-CSD und Kampagne vor der Bundestagswahl

22. Jan. 2025 Ulrike Wagener
Bild: Manfred Behrens
CSD im Sommer 2024 in Berlin

Liebe statt Hass: Die deutschen CSDs rufen in ihrer gemeinsamen Kampagne „Wähl Liebe“ dazu auf, bei der Wahl am 23. Februar Parteien zu wählen, die für Gleichberechtigung stehen. Am 15. Februar, der als bundesweiter Aktionstag ausgerufen wurde, finden in rund 30 Städten Demos statt. Auch Berlin ist vertreten mit einem Winter-CSD. Wir sprachen mit Thomas Hoffmann vom Berliner CSD-Verein über den Demo-Aufruf und die Kampagne

Am 15. Februar rufen zahlreiche CSDs in ganz Deutschland zu Demonstrationen und Kundgebungen auf, in Berlin ist ein Winter-CSD geplant. Gab es so etwas überhaupt schon mal? Nein, das ist eine Premiere. Wir hatten die Kampagne „Wähl Liebe“ schon länger geplant und wollten sie zur CSD-Saison umsetzen. Dieses Mal waren sich alle einig, dass die Bundestagswahlen ein wichtiger Anlass sind für eine bundesweit einheitliche Aktion. Wegen der vorgezogenen Neuwahlen haben wir uns dazu entscheiden, die Kampagne schon früher auf die Straße zu bringen.

„Dieses Mal waren sich alle einig, dass die Bundestagswahlen ein wichtiger Anlass sind für eine bundesweit einheitliche Aktion.“

Was wollt ihr damit erreichen? Bei dieser Bundestagswahl stehen nicht nur die Rechte der queeren Community auf dem Spiel, sondern die gesamte liberale Demokratie. Wir müssen uns die Frage stellen: Wollen wir eine Gesellschaft, die von Ausgrenzung und Hass geprägt ist, oder eine, in der alle frei und selbstbestimmt leben können? Unser Fokus bleibt auf LGBTIQ*-Rechten, aber es geht um mehr – um das Lebensmodell, das wir schätzen und bewahren wollen. Deshalb sind bei „Wähl Liebe“ alle willkommen, die sich von den Wahlprogrammen der populistischen Parteien angegriffen fühlen. Wir sprechen gezielt auch Nichtwähler*innen an: Geht an die Wahlurne und setzt euch für unsere Rechte und für die liberale Demokratie ein! Selbst in der queeren Community gibt es viele Nichtwähler*innen. Aber wer morgen nicht wählt, der wacht übermorgen vielleicht in einer Welt auf, in der die Gesellschaft queere Menschen nicht mehr schützt.

„Selbst in der queeren Community gibt es viele Nichtwähler*innen. Aber wer morgen nicht wählt, der wacht übermorgen vielleicht in einer Welt auf, in der die Gesellschaft queere Menschen nicht mehr schützt.“

Warum das Motto „Wähl Liebe“? Warum nichts mit „Demokratie“ oder „Gerechtigkeit“? Politische Kräfte wie die AfD nutzen Ängste, um Minderheiten wie uns auszugrenzen. Hier brauchen wir einen Gegenentwurf: Liebe statt Hass. Liebe ist in diesem Zusammenhang ein politischer Begriff – sie steht für Zusammenhalt, Selbstbestimmung und Solidarität mit allen, die unter solchen politischen Kräften leiden. Gleichzeitig rufen wir andere betroffene Gruppen auf, uns bei dieser Demonstration zu unterstützen. Unsere Aufforderung ist klar: Geh wählen und wähl Liebe!

Aber ihr ruft nicht dazu auf, eine konkrete Partei zu wählen ... Nein. Aber einige Parteien setzen sich stärker für eine Gesellschaft des Zusammenhalts ein als andere. Wir haben auf unserer Kampagnen-Webseite waehl-liebe.de einen Parteienvergleich, bei dem interessierte Personen schauen können, wie sich die einzelnen Parteien zu den wichtigsten Forderungen der CSD-Kampagne positionieren. Die AfD ist dort nicht aufgeführt, weil wir sie nicht als demokratische Partei sehen. Sie lehnt nicht nur unsere Forderungen ab, sondern möchte uns sogar viele bestehende Rechte wieder entziehen.

„Die AfD lehnt nicht nur unsere Forderungen ab, sondern möchte uns sogar viele bestehende Rechte wieder entziehen.“

Wie sehen eure Forderungen aus? Wir wollen, dass queere Menschen durch das Grundgesetz vor Diskriminierung geschützt werden. Außerdem fordern wir eine bessere finanzielle Ausstattung und den Erhalt von Community- und Beratungsstrukturen – sowohl in Städten als auch im ländlichen Raum. Kürzungspläne, wie zuletzt in Berlin, bedrohen diese wichtigen Angebote, und auch Bundesfördermittel stehen teilweise zur Disposition. Drittens erwarten wir von der nächsten Bundesregierung entschlossenere Maßnahmen gegen Hasskriminalität und Hate Speech. Besonders trans Personen sind fast täglich Anfeindungen ausgesetzt, sei es online oder im analogen Leben.

Die 3 Kernforderungen auf einen Blick

1. Grundgesetz für alle: Queere Menschen durch das Grundgesetz besser schützen
2. Schützt queere Räume: Finanzielle Absicherung unserer Community- und Beratungsstrukturen
3. Hasskriminalität und Hatespeech wirksam bekämpfen

Mehr unter
waehl-liebe.de

Bild: Lea Greub
Kampagnenfoto zur überregionalen Aktion „Wähl Liebe“

Letztes Jahr gab es auf einigen CSDs Angriffe aus der rechten Szene. Gibt es dazu ein Sicherheitskonzept? Man muss ganz klar sagen, die Polizei ist verantwortlich für die Sicherheit einer Demonstration und nicht die Anmeldenden. Aber da sind wir im sehr guten Austausch und beobachten die Lage natürlich auch. Aktuell gibt es keine Hinweise für eine akute Bedrohungslage.

Was erwartet Besucher*innen auf dem Winter-CSD? Die Demonstration soll den Charakter eines CSD haben. Zwar rechnen wir nicht mit einer Million Menschen, aber es ist ein richtiger CSD-Demonstrationszug. Wir treffen uns am Bundestag, fahren dann über das Brandenburger Tor, den Potsdamer Platz, die Lützowstraße zum Nollendorfplatz und dann in den Nollendorfkiez. Wir wollen uns ganz klar auf Politik konzentrieren, aber es wird natürlich auch Musik geben. Neben queeren Aktivist*innen haben wir auch Vertreter*innen aus Kunst, Kultur und Zivilgesellschaft eingeladen. Ziel ist es, die Solidarität der gesamten Gesellschaft zu mobilisieren, da die queere Community allein nicht genug Gewicht hat, um Veränderungen zu bewirken. Diese breite Unterstützung war schon immer eine Stärke des Berliner CSD, und wir hoffen, dass auch diesmal viele Menschen teilnehmen.

Bild: privat
Thomas Hoffmann ist im Vorstand bei CSD Berlin. Er war als Mitglied des Kampagnenrates an der Planung der bundesweiten Kampagne „Wähl Liebe“ beteiligt.

Winter-CSD
15.02. ab 11:55,
Start: Bundestag,
Route: Potsdamer Platz – Lützowplatz – Nollendorfplatz
csd-berlin.de

Kampagne „Wähl Liebe“
waehl-liebe.de

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