Musikerin Faravaz: „Ich will meine Privilegien und Kraft teilen, für die Frauen in Iran“

Die iranische Künstlerin Faravaz macht sich international einen Namen. In ihrer Musik und ihrem Aktivismus steht sie unerschrocken für die Rechte von Frauen und Queers. So auch auf ihrem neuen Album „Azadi“ (Freiheit), das ein Zeugnis für Widerstandsfähigkeit, kulturelle Identität und Selbstausdruck ist
Iran ist für weiblich gelesene Personen eins der gefährlichsten Länder der Erde: Im Sommer 2024 veröffentlichte das World Economic Forum den aktuellen Gender Gap Report, nach dem Iran im Vergleich mit allen anderen Nationen auf Platz 143 landete, dem viertletzten Platz. Die Restriktionen in Iran für Frauen, Queers, Homosexuelle und trans* Personen sind haarsträubend inhuman. So ist es Frauen beispielsweise verboten, öffentlich ihre Stimme zu erheben oder zu singen: Weil sie genau das tat, drohte Sängerin Faravaz eine Gefängnisstrafe in ihrer Heimat.
„Berlin ist für mich nach der iranischen Hölle der reinste Himmel!“
Schon als Kind erlernte Faravaz verschiedene Instrumente, sang und spielte Gitarre, verband traditionelle iranische Klänge mit westlich geprägter Popmusik, was den Zorn der Machthabenden erregte. Die 1990 in Teheran geborene Künstlerin flüchtete nach Deutschland, lebte zunächst einige Jahre in Bayern, bevor sie nach Berlin zog. „Bad Reichenhall ist schön, aber nicht cool“, sagt Faravaz lachend im Interview mit SIEGESSÄULE, „Berlin ist für mich nach der iranischen Hölle der reinste Himmel!“ Manchmal fühle sie sich schuldig, dass sie die iranischen Frauen, ihre Freundinnen und Familie verlassen habe, dass sie „abgehauen“ sei. „Aber ich will meine Privilegien und meine Kraft teilen, für die Frauen in Iran.“

In Berlin fand sie bald Gleichgesinnte, hat mit Künstlerinnen zusammengelebt, lernte andere Geflüchtete und People Of Color kennen, vernetzte sich über Musik und Aktivismus. „Ich bin ein bisschen ungeduldig, weil ich mir hier alles erst aufbauen muss. Das erfordert hohen Einsatz und kostet Kraft, in Iran war ich in der Musikszene bekannt. Aber weil ich Feministin bin, mich in der iranischen #metoo-Bewegung engagiert habe, laut und dick bin – alles, was das iranische Regime nicht akzeptiert – wurde ich boykottiert und kleingemacht. Die vorherrschende Stimmung ist misogyn und toxisch.“
Tendenzen, die es auch in Deutschland gibt: „Queere Leute haben mir bei Aufnahmen und Videodrehs geholfen. Weiße Männer ignorierten mich“, so Faravaz, die im Gespräch betont, dass es in Berlin zwar eine unterstützende queere und nonbinäre Szene gebe, die Stadt aber auch eine ablehnende und ausgrenzende Seite habe. „Wir sollten uns nicht bekämpfen, sondern vereinen“, sagt Faravaz, die sich ansonsten über Klischees bestens amüsieren kann: „Die Deutschen haben keine Beziehung zu ihren Emotionen, sie wollen immer, dass alles problemlos funktioniert. Wir Iraner*innen bringen Farbe und Fröhlichkeit“, lacht sie. „Wir lernen voneinander.“
„Wir müssen die Regeln brechen, das System zerstören. Frauen sollen sich trauen, ihre Wut als Energie zu nutzen!“
Am wichtigsten ist Faravaz jedoch, dass sich Frauen ihrer Emotionen, ihrer Existenz nicht mehr schämen: „Wir müssen die Regeln brechen, das System zerstören. Frauen sollen sich trauen, ihre Wut als Energie zu nutzen!“
Faravaz stehen aufregende Ereignisse bevor: Am 11. Mai erscheint ihr Album „Azadi“ (Freiheit). „Ich singe seit über zwanzig Jahren in Farsi, jetzt zum ersten Mal auf Englisch – das ich übrigens in Deutschland gelernt habe, weil ich ein größeres Publikum erreichen will.“ Die Sängerin schwärmt von ihrer Produzentin, der mehrfach Grammy-nominierten Britin Charlie McClean, die schon mit Sam Vance-Law, Kate Wild und Faouzia gearbeitet hat. „Wir haben zusammen gelacht und geweint, es ging sehr emotional zu. Ich bin sicher, dass die Hörer*innen das spüren werden!“
Vorab erschien das Video zum Song „Taxi Driver“: „Natürlich habe ich nichts gegen Taxifahrer*innen! Aber als in den Achtziger Jahren viele Menschen aus Iran in anderen Länder geflüchtet sind, war Taxifahren oft der einzige Job, der ihnen angeboten wurde, egal welche Qualifikationen sie hatten. Und Frauen konnten nur Putzfrau werden.“
Am Veröffentlichungstag des Albums wird Faravaz ein Konzert im legendären Club SO36 geben: „Es ist mehr als nur ein Konzert, es wird eine Nacht der musikalischen Rebellion.“ Neben ihr treten mehrere Gaststars auf, der queere Berliner Heart Chor wird singen. Vor dem Konzert zeigt Faravaz ihre autobiographische Filmdokumentation „The Orange Garden“: „In Teheran besaß ich diesen kleinen Garten, jetzt kann ich dort nicht mehr hin. Meine Doku zelebriert den weiblichen Körper und die Freiheit – sie ist ein Statement gegen politische Unterdrückung.“
Faravaz: „Azadi“ (Freiheit)
VÖ 11.05.2025
Releasekonzert im SO36
mit queeren Gaststars und dem Heart Chor
11.05.2025, 20:00
so36.com
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