Ist die Wehrpflicht für alle feministisch?
Heute wurde im Verteidigungsausschuss öffentlich über das Gesetz zur Modernisierung des Wehrdienstes beraten. Seit Wochen wird auch über eine mögliche Einbeziehung von Frauen diskutiert. Doch das ist keine Gleichberechtigung, sondern eine alte patriarchale PR-Masche, findet Pauline Jäckels. Ein Gastkommentar der taz-Meinungsredakteurin
Der neue Wehrdienst kommt und soll nach Ansinnen der schwarz-roten Koalition auch verpflichtende Elemente haben. Mit dem Vorstoß des SPD-Verteidigungsministers Boris Pistorius ist auch die Debatte um eine Wehrpflicht für Frauen ausgebrochen. Hauptargument ihrer Befürworter*innen: Die Wehrpflicht für alle sei feministisch. Nur verkennen sie dabei, bewusst oder unbewusst, worum es hier in Wirklichkeit geht.
Zunächst einmal stimmt es natürlich: Frauen sind genauso fähig, zur Verteidigung eines Landes beizutragen wie Männer. Der historische Ausschluss von Frauen fußt auf zwei durch und durch patriarchalen Denkweisen: zum einen auf der Annahme, dass Frauen ohnehin zu schwach seien, physisch wie psychisch, um im Ernstfall in den Krieg zu ziehen. Und zweitens auf der gesellschaftlichen Aufgabe, die Frauen zugeschrieben wurde, nämlich Kinder zu gebären und für Mann, Haus und Nachwuchs zu sorgen. Wenn man diese Annahmen über Bord geworfen hat, müsste dann nicht also eine Wehrpflicht für alle gelten? Wäre diese dann nicht sogar feministisch?
Wer der Ansicht ist, eine deutsche Aufrüstung einhergehend mit einer Wehrpflicht sei richtig, kann zumindest aus einem liberal-feministischen Blickwinkel durchaus zu diesem Schluss kommen. Doch über eines sollte man sich im Klaren sein: Wenn Vertreter*innen eines aufrüstungswilligen Deutschlands für mehr Frauen im Schützengraben werben, hat das rein gar nichts mit Feminismus zu tun. Sie nutzen einfach einen der ältesten PR-Tricks in der modernen PR-Trickkiste.
Edward Bernays machte Rauchen „feministisch“
In den späten 1920er-Jahren stand die US-amerikanische Tabakindustrie vor einem Problem: Für die Hälfte der potenziellen Tabakkonsumierenden war das Rauchen tabu – Zigarettenherstellern gingen Profite in Milliardenhöhe durch die Lappen. Also heuerte die American Tobacco Company den PR-Spezialisten und Begründer der modernen Propagandatheorie Edward Bernays an, um mehr Frauen zum Rauchen zu bringen.
Was tat Bernays? Er kreierte die erste moderne PR-Kampagne: Die Zigarette machte er zur „Fackel der Freiheit“.
Was tat Bernays? Er kreierte die erste moderne PR-Kampagne: Die Zigarette machte er zur „Fackel der Freiheit“, einem Zeichen weiblicher Emanzipation, und bezahlte junge Frauen, um beim Ostermarsch 1929 Zigaretten rauchend durch New York zu ziehen. Ein riesiger Erfolg: Bilder der rauchenden Demonstrantinnen gingen durch alle Zeitungen des Landes, der Tabakkonsum von Frauen stieg deutlich an. Die Bundesregierung steht gerade vor einem ähnlichen Problem: Deutschland soll „kriegstüchtig“ werden; das nötige Geld für Panzer und Drohnen ist inzwischen da – aber es fehlen noch die Menschen, die die Gerätschaften bedienen können.
Es ist also so viel Not am Mann, dass eben auch Not an der Frau, ja sogar an der nicht binären Person ist. Und wie ließe sich die moderne junge Frau besser für die Bundeswehr anwerben als mit Feminismus? Diese Herangehensweise ist nicht nur nicht feministisch, sie ist eine doppelte Perversion des Feminismus. Erstens deshalb, weil sie feministische Argumente instrumentalisiert. Zweitens, weil es der alten patriarchalen Logik folgt, Frauen und ihre Körper in erster Linie als der Gesellschaft zur Verfügung stehende Menschenmasse zu betrachten. Früher sollten sie Vater Staat als Gebärmaschinen dienen und jetzt Gewehrmaschinen bedienen.
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