Kündigungswelle im SchwuZ: „Schmerzhafte Entscheidung mit Weitblick“

Das SchwuZ hat rund ein Drittel seiner Belegschaft entlassen. Das Management verteidigt den Schritt als notwendig und verkündet gleichzeitig eine „Neuausrichtung“. SIEGESSÄULE traf die Geschäftsführerin Katja Jäger und fragte kritisch nach, was das für den Club bedeutet
Katja, wie ist die Stimmung gerade im SchwuZ? Die ist natürlich durchwachsen nach letzter Woche, das ist ja klar. Und das wird uns noch eine Weile beschäftigen, aber ich hoffe, wir können bald anfangen, nach vorn zu schauen.
Die taz titelte „SchwuZ feuert ein Drittel der Belegschaft“. Es gab auch ein großes Treffen mit allen vom Haus, wie lief das? Ich hätte mir gewünscht, dass es anders gelaufen wäre, logisch. Kündigungen zu verschicken ist nichts, was Freude macht, noch schlimmer ist es natürlich für die, die sie aus dem Briefkasten fischen. Auch wenn wir uns damit an das übliche Kündigungsprozedere gehalten haben, ist mir klar, dass es kein charmanter Weg war. Wir hatten für all das sehr wenig Zeit, trotzdem war es mir wichtig, vor die Belegschaft zu treten und mit allen zu sprechen, möglichst zeitnah. Natürlich sind da die Emotionen bei vielen hochgekommen.
In einem Interview sagtest du: „Wir mussten uns leider von etwas mehr als zehn Vollzeitäquivalenten trennen“. Diese Sprache hat viele irritiert. Musste das sein? Das Wort war total unglücklich gewählt, einige haben es so verstanden, dass ich nicht die einzelnen Personen sehe, die ihren Job verlieren. Mir ging es dabei darum zu zeigen, dass es kaum volle Stellen betrifft, dass wir als Club weiterhin handlungsfähig sind.
Wo wurden denn die Stellen eingespart? Wir haben in allen Bereichen geschaut, wo es Potenziale für Einsparungen gab, auch im Büro. Man kann auch in der Verwaltung effizienter wirtschaften und mit Künstlicher Intelligenz einige Prozesse verschlanken.
Es heißt, es gab Menschen, deren Aufenthaltsstatus vom Job im SchwuZ abhängig war. Wie geht es der betreffenden Person? Wir haben vergangene Woche noch mit der Person Kontakt aufgenommen und finden einen Weg. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Ist der Kontakt zu den Mitarbeiter*innen besser? Ich habe mittlerweile viele Gespräche geführt mit denen, die bleiben, aber auch mit Menschen, die gehen. Manche von ihnen haben gesagt, dass sie es verstehen, auch wenn sie gern geblieben wären. Ich habe ihnen erklärt, dass ich jetzt gegensteuern musste. Wenn ich jetzt zu lang gewartet hätte, dann kann ich irgendwann nur noch sagen: Wir müssen den Laden dicht machen.
Stimmt es, dass das schon im Sommer soweit gewesen wäre? Wenn ich nichts getan hätte, wäre es noch im Laufe dieses Jahres eng geworden. Dann will ich lieber eine Zäsur, nach der wir uns so aufstellen, dass wir nachhaltig auch bestehen bleiben. Lieber treffe ich jetzt eine schmerzhafte unternehmerische Entscheidung mit Weitblick. Aber ich kann sagen, sie ist absolut notwendig. Es bringt uns allen nichts, wenn wir immer wieder um Spenden rufen, um dann doch schließen zu müssen.
„Es bringt uns allen nichts, wenn wir immer wieder um Spenden rufen, um dann doch schließen zu müssen.“
Eine der Maßnahmen ist ja die Neugestaltung der Tür und der Garderobe. Soll da ein Drehkreuz hin? Einlasssituationen sind in vielen Clubs ein sensibles Thema. Uns ist wichtig, dass der Charakter des SchwuZ erhalten bleibt: Auch künftig werden unsere Gäst*innen persönlich begrüßt – von Mitarbeitenden des SchwuZ. Zusätzlich werden geschulte Personen eines externen Sicherheitsdienstes vor Ort sein, um die Sicherheitslage zu verbessern. Und ganz wichtig: Awareness bleibt natürlich fester Bestandteil – am Eingang wie im Club selbst. Das macht das SchwuZ aus, und daran wird sich nichts ändern.
Und an der Garderobe wird es dann wie im Fitnessstudio mit Spinden zugehen? Ich persönlich mochte das Warten an der Garderobe nie besonders – oft hat man ja vorher schon draußen angestanden. Deshalb setzen wir auf ein System, das den Aufenthalt für unsere Gäst*innen entspannter macht: Schon jetzt haben wir 200 Schließfächer, die an vielen Abenden vollständig genutzt werden. Wir bauen dieses bewährte Konzept weiter aus – auch, um lange Warteschlangen zu vermeiden. Wichtig ist uns dabei: Technik ersetzt bei uns nicht den Kontakt zu Menschen. Automatisierung ist für uns kein Selbstzweck, sondern eine Möglichkeit, Abläufe effizienter zu gestalten, damit mehr Raum für zwischenmenschliche Begegnungen bleibt.
Du bist erst seit fünf Monaten im Amt. Haben sich die Probleme plötzlich so verschlimmert? Ich bin ein relativ schwieriges Erbe angetreten, zunächst ja nur als Co-Geschäftsführerin. Dass mein Kollege im März das SchwuZ verlässt, war vorher nicht klar. Die Clubkrise ist seit einer Weile voll im Gange, die Inflation auch – außerdem gibt es seit der Pandemie ein verändertes Ausgehverhalten der jungen Menschen. Das letzte Jahr haben wir im Minus abgeschlossen, dabei gab es schon Sparmaßnahmen. Hinzu kommt plötzlich noch eine neue politische Landschaft, in der im Kulturbereich viele Kürzungen anstehen. Da müssen wir uns neu aufstellen.
„Das letzte Jahr haben wir im Minus abgeschlossen, dabei gab es schon Sparmaßnahmen.“
Aber kommt nicht gerade in dieser Zeit Schutzräumen für queere Menschen eine besondere Rolle zu? Wir erleben gerade, wie gewisse Rechte beschnitten werden, ja, wie eine vulnerable Community noch vulnerabler wird. Räume für queere Menschen werden gerade kleiner. Und wenn dann noch einer der Safer Spaces am Wochenende bedroht ist, dann macht das Angst. Deshalb ist es nun umso wichtiger, einen Raum wie das SchwuZ zukunftsgerichtet aufzustellen – eben für die nächsten 50 Jahre!
Spielt Neukölln als Kiez bei dieser Einschätzung auch eine Rolle? Die Herausforderungen, vor denen queere Räume stehen, lassen sich nicht auf einen einzelnen Stadtteil oder eine bestimmte Community reduzieren. Was ich entschieden ablehne, ist ein Narrativ, das suggeriert, nicht-weiße oder migrantische Communitys seien ein Problem – insbesondere im Kontext von Neukölln. Solche Zuschreibungen sind falsch und gefährlich, weil sie Gruppen gegeneinander ausspielen. Ja, es ist korrekt, dass einige unserer Drag-Artists lieber mit dem Taxi anreisen. Das hat vielfältige Gründe – unter anderem Sicherheitsbedenken, die weit über einen einzelnen Stadtteil hinausgehen. Laut aktueller Statistik liegt beispielsweise der Bezirk Mitte bei queerfeindlichen Angriffen an der Spitze. Wir sprechen hier über ein gesamtgesellschaftliches Problem, das alle betrifft – unabhängig von Herkunft oder Wohnort. Unser Fokus liegt darauf, solidarische Allianzen zu stärken und queere Sichtbarkeit überall zu verteidigen.
„Was ich entschieden ablehne, ist ein Narrativ, das suggeriert, nicht-weiße oder migrantische Communitys seien ein Problem – insbesondere im Kontext von Neukölln.“
Braucht ihr dafür nicht auch Mitarbeiter*innen, die das SchwuZ seit vielen Jahren kennen? Einige der Entlassenen haben dieses Wissen … Genau deshalb tat es ja so weh, den Menschen, die das in der Vergangenheit mit aufgebaut haben, zu sagen, dass wir sie gehen lassen müssen. Aber gleichzeitig möchte ich gern, dass auch sie weiterhin Teil der SchwuZ-Community bleiben. Wichtig ist: Unser Clubbetrieb wird von regelmäßigen Austauschformaten begleitet, in denen die Community ihre Ideen einbringen kann. Wir gestalten diesen Ort gemeinsam.
Wie, du willst mit den Entlassenen weiterarbeiten? Wir werden Formate anbieten, bei denen wir gemeinsam schauen, welche Ideen und Wünsche es noch gibt für unsere SchwuZ-Community. Dazu sind auch Ehemalige willkommen, wenn sie weiterhin einen Gestaltungswunsch haben. Ich werde das nicht verlangen, doch die Einladung steht.
„Unser Clubbetrieb wird von regelmäßigen Austauschformaten begleitet, in denen die Community ihre Ideen einbringen kann.“
Wie wird dieses Wochenende im SchwuZ? Na, das letzte Wochenende war schon mal gut, ich bin extra hin und habe mir das angeschaut, weil ich erwartet hatte, dass der Pressewirbel vielleicht einen Effekt hat. Aber die Tanzfläche war voll und ich hoffe, dass es auch den Sommer über so bleibt.
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