Aufruf zur Unterstützung

Kanaan vor dem Aus: „Es tut weh, dass unser Projekt zur Zielscheibe wird“

22. Aug. 2025 Paula Balov
Bild: Boaz Arad
Oz Ben David (li.) und Jalil Dabit (re.) zeigen ihren augenzwinkernden T-Shirt-Spruch „Ich bin hummussexuell“

Das Restaurant Kanaan, seit zehn Jahren Symbol für israelisch-palästinensischen Zusammenhalt, kämpft ums Überleben. Sinkende Einnahmen, steigende Kosten und Anfeindungen setzen dem Lokal massiv zu. Nun ruft das Team zur Unterstützung auf – und findet zugleich deutliche Worte gegen politische Vereinnahmung und Polemik

Das queere israelisch-palästinensische Restaurant Kanaan in Prenzlauer Berg steht laut eigenen Angaben kurz vor dem Aus. „Die Auswirkungen von Krieg, wirtschaftlicher Unsicherheit und deutlich gesunkenen Einnahmen bringen das seit zehn Jahren bestehende Projekt in eine akute Existenzkrise“, erklären die Betreiber in einer Pressemitteilung. Gegründet wurde das Restaurant 2015 von Oz Ben David aus Israel und Jalil Dabit aus Palästina.

„Wenn wir nicht sofort handeln, ist die Schließung unausweichlich.“

Auf Nachfrage von SIEGESSÄULE konkretisieren sie in einer gemeinsamen E-Mail: „Uns war bereits im Frühjahr klar, dass die Situation sehr angespannt ist.“ Die Einnahmen seien rückläufig gewesen, während viele Kosten anstiegen. Dennoch hoffte das Kanaan-Team, dass die Sommermonate die Einnahmen stabilisieren würden. Als es allerdings auch im Juli, normalerweise einem der „stärksten Monate im Jahr“, nicht gut lief, wurde ihnen bewusst: „Wenn wir nicht sofort handeln, ist die Schließung unausweichlich.“

Bild: Jason Harrell
Oz Ben David begrüßt seine Gäste beim „Foodies For Peace“-Event im Juli 2024

Bereits in zwei Wochen drohe die endgültige Schließung, sollte sich nicht schnell etwas ändern. Deshalb ruft das Kanaan Nachbarschaft und Communitys dazu auf, das Restaurant zu unterstützen, indem sie es besuchen, weiterempfehlen, auf Google positiv bewerten, einen Gutschein kaufen – oder die Nachricht über die finanzielle Notlage weiterverbreiten. Die Entscheidung, öffentlich um Hilfe zu bitten, sei den Gastronomen nicht leicht gefallen, „aber sie war nötig“.

„Wenn wir es schaffen, unser Restaurant regelmäßig gut besucht zu halten, haben wir eine realistische Chance, diese Phase zu überstehen.“

„In den kommenden Wochen brauchen wir vor allem: Sichtbarkeit, Gäste, Bewegung“, so das Kanaan-Team. „Wenn wir es schaffen, unser Restaurant regelmäßig gut besucht zu halten, haben wir eine realistische Chance, diese Phase zu überstehen.“ Darüber hinaus sei das Kanaan in Gesprächen über mögliche Sponsorings und Kooperationen und prüfe auch, ob Förderprogramme infrage kämen. „Aber ohne kurzfristige Unterstützung durch die Gäste, die zu uns kommen, wird all das nicht greifen.“

Symbol für Dialog, Vielfalt und Respekt

Kanaan ist mehr als ein Restaurant: Es steht für israelisch-palästinensische Solidarität, ein klares Statement gegen Spaltung und für queere Sichtbarkeit. Ein Markenzeichen von Kanaan ist der augenzwinkernde T-Shirt-Slogan „Ich bin hummussexuell“. Die gemeinsame Vision von Oz Ben David und Jalil Dabit ist, in Berlin einen Raum zu schaffen, in dem Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen arbeiten, essen und in den Austausch treten. Das Projekt wurde mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel 2024 mit dem Moses-Mendelssohn-Preis für Toleranz des Landes Berlin, und gilt als Symbol für Dialog, Vielfalt und Respekt.

Bild: Kanaan Berlin
Jalil Dabit und Oz Ben David vor ihrem Lokal

Seit dem 7. Oktober 2023 war die Gaststätte immer wieder Ziel von Vandalismus und Anfeindungen – etwa im Juli 2024, als Unbekannte die Einrichtung, Möbel und Weinflaschen zerstörten und das Lokal mit Hassbotschaften beschmierten. In den Kommentarspalten zu Beiträgen über das Restaurant wird schnell deutlich, wie das Kanaan zur politischen Projektionsfläche in der Nahost-Debatte wird. Wahlweise werfen Social-Media-User*innen den Gastronomen die Verharmlosung der Hamas oder der völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungspolitik vor.

„Es tut weh, dass ausgerechnet ein Projekt wie unseres – das für Dialog, Menschlichkeit und gelebte Koexistenz steht – zur Zielscheibe dieser Extreme wird.“

In ihrem gemeinsamen Statement finden Oz Ben David und Jalil Dabit deutliche Worte darauf: „Ganz ehrlich: Es tut weh, dass ausgerechnet ein Projekt wie unseres – das für Dialog, Menschlichkeit und gelebte Koexistenz steht – zur Zielscheibe dieser Extreme wird. Wir lehnen jede Form von Gewalt ab. Wir stehen weder für Besatzung noch für Terror, sondern für die Hoffnung, dass Menschen sich als Menschen begegnen.“

Außerdem betonen sie, dass ihr Restaurant kein politisches Statement sei, zumindest nicht in dem Sinne, dass das Kanaan den Anspruch erhebe, einfache Antworten in der Nahost-Debatte zu geben. Stattdessen sei es „ein Raum, in dem Israelis und Palästinenser*innen zusammenarbeiten, kochen, lachen, streiten, leben. Wer uns angreift, greift genau diese Idee an.“

Kanaan Berlin,
Schliemannstraße 15,
10437 Berlin,
Homepage: kanaan-berlin.de
Instagram: @kanaan_berlin

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