Kinostart von „Falling“ am 12. August

Liebe für den homophoben Vater?

11. Aug. 2021 Axel Schock
Bild: 2020 Prokino Filmverleih
Lance Henriksen (li.) und Viggo Mortensen als Vater und Sohn

Ist das noch familiäre Verantwortung oder schon Masochismus? In „Falling“ nimmt ein schwuler Sohn seinen dementen Vater bei sich auf und muss nun zusammen mit seinem Ehemann die Hasstiraden dieses jähzornigen alten Sacks ertragen. In seinem Regiedebüt nimmt der dänisch-amerikanische Schauspieler Viggo Mortensen einen unlösbaren Vater-Sohn-Konflikt in den Blick. Am Donnerstag, den 12.08., startet der Film in den Kinos

John muss sehr tief in seinen Erinnerungen kramen, um eine Situation zu finden, in der er seinem Vater Willis genügte und dieser ihn dafür liebte: John ist noch ein Knirps und auf der gemeinsamen Jagd, also einer richtigen Männersache, erlegt er mit einem sauberen Schuss eine Ente. Es ist das einzige Mal, dass ihn sein Vater für etwas lobt. Als der Junge es sich nicht nehmen lässt, der Mutter bei der Zubereitung des Entenbratens zur Hand zu gehen, ist der Vaterstolz auch schon wieder verflogen. Küche ist Weibersache.

Immer wieder springt die Handlung im Regiedebüt des „Herr der Ringe“-Stars Viggo Mortensen zurück in die Familienvergangenheit und lässt die Zuschauer dabei stets im Unklaren, ob es sich um Johns eigene Erinnerungen handelt oder um aufblitzende wache Momente des demenzkranken Familientyranns. Denn herrisch, jähzornig und gewalttätig war Willis offenbar zeitlebens. Doch jetzt, im fortgeschrittenen Alter, ist er zu einem verbitterten Choleriker geworden.

Weil er nicht mehr in der Lage war, seine Ranch in der Provinz des Mittleren Westens alleine zu bestellen, hat John ihn zu sich ins kosmopolitische Kalifornien geholt und damit in ein Leben, das Willis abgrundtief hasst. Denn John ist nicht nur schwul und mit einem Mann hawaiisch-chinesischer Herkunft verheiratet; zu ihrer Familie gehört auch Adoptivtochter Monica. Nichts davon passt in das reaktionäre Weltbild des Vaters. Und er hat keine Scheu, sich in vulgären, rassistischen, schwulen- und frauenfeindlichen Tiraden zu ergehen. Warum, fragt man sich da bald, tut John dies seiner Familie an? Warum erträgt er selbst diese permanente, zur Schau gestellte Ablehnung und hat den Alten nicht einfach auf seiner Farm seinem Hass auf den liberalen Teil der Welt überlassen?

Bild: 2020 Prokino Filmverleih

Keine rührselige Versöhnung

Viggo Mortensen kann oder will diese Frage nicht eindeutig beantworten und das ist gleichermaßen die Stärke und Schwäche seines Regiedebüts. Die Rückblenden fügen sich zu einem beklemmenden Bild einer dysfunktionalen Familie und dem Porträt eines liebesunfähigen Mannes (in jungen Jahren verkörpert vom isländischen Schauspieler Sverrir Guðnason). Schlagworte wie „toxische Männlichkeit“ drängen sich auf. Mortensen aber macht es sich nicht so einfach. Er verzichtet auf vereinfachende psychologische Erklärungen, tappt weder in die Kitschfalle, noch gönnt er sich den einfachen Weg einer rührseligen Versöhnung oder Willis das Mitleid der Zuschauer*innen.

Doch hätte man sich durchaus eine deutlichere Haltung des Regisseurs und Drehbuchautors gewünscht. So lebt „Falling“ vor allem von der Kollision der unterschiedlichen Lebensentwürfe und Männlichkeitsbilder. Der 80-jährige Lance Henriksen („Alien – Die Rückkehr“) spielt den zunehmend verwirrten Willis mit beängstigender Intensität. Viggo Mortensen als John agiert ganz konträr, mit einer scheinbar unerschütterlichen inneren Ruhe und Abgeklärtheit. Doch in seinem Gesicht ist abzulesen, wie viel Kraft es John kostet, all die Wut hinunterzuschlucken, nach außen hin die Contenance zu bewahren und dem inneren Druck nicht nachzugeben. Also nicht in das Verhaltensmuster des Vaters zu verfallen, so viel Kraft es auch kosten mag.

Wie viel Toleranz aber muss und kann man den Ausfällen eines Dementen gegenüber aufbringen? Wie viel Fürsorge und Nachsicht hat ein Kotzbrocken wie Willis verdient, gerade weil oder obwohl er der eigene Vater ist? Diese Fragen überlässt Mortensen den Zuschauer*innen und deren Antworten dürften sehr unterschiedlich ausfallen.

Falling, DK/UK/Kanada 2020,

Regie: Viggo Mortensen,

mit Viggo Mortensen, Lance Henriksen, Laura Linney, Sverrir Guðnason

ab 12.08. im Kino

Folge uns auf Instagram

#Film#Kino#Familie#Vater-Sohn-Konflikt#Homophobie

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.