Kolumne: Sex-Positionen

Monkeydust: Von Affen-Emojis in Dating-Profilen

30. Juli 2025 Jeff Mannes
Bild: Victor Luque

Ein Sexdate, ein seltsamer Geruch – und eine wenig erforschte Substanz: Monkeydust. SIEGESSÄULE-Kolumnist Jeff Mannes erzählt von einer Erfahrung zwischen Lust und Trauer. Er plädiert für mehr Aufklärung und Forschung, vor allem aber für mehr Solidarität und Ehrlichkeit im Umgang mit Chemsex und neueren Substanzen

Ich traf ihn auf der schwulen Dating-App Buddy. Damals, vor fast zwei Jahren, war da noch kein Affen-Emoji im Profil – heute ist das auf Grindr & Co. längst ein Code für Monkeydust-Konsum. Wir waren schnell geil aufeinander, und nach kurzem Chat stand er in meiner Wohnung. Die Stimmung war flirty, horny, aufregend. Sein Blick fiel auf einen absurd großen Dildo, der dekorativ in meinem Bücherregal zwischen Werken von Magnus Hirschfeld, Michel Foucault, Paul B. Preciado und Carol J. Adams steht. Ich scherzte noch, der sei reine Deko – viel zu groß für jede praktische Anwendung. Doch sein Lachen klang wie eine Herausforderung: „Gib her.“ Er griff nach der Flasche Lube, schmierte das Teil ordentlich ein und zwei Sekunden später war der Dildo in ihm verschwunden. Geil, beeindruckend und irgendwie surreal.

Irgendwann verschwand er länger im Bad. Als er zurückkam, roch es seltsam streng. So wie man sich verranztes Sperma vorstellen würde. Erst beim Küssen schmeckte ich es ganz deutlich: Er hat heimlich eine Droge geraucht. Es war Monkeydust. Damals wusste ich fast nichts darüber. Heute weiß ich zwar mehr, aber dennoch ist die Substanz im Vergleich zu vielen anderen Chemsex-Drogen relativ unbekannt.

Ich war irritiert. Nicht, weil er Drogen nahm, sondern weil er es beim Sex mit mir heimlich tat. Offenheit ist mir wichtig, gerade beim Sex. Ich möchte wissen, wie mein Gegenüber drauf ist, was er eventuell konsumiert (hat). Das sagte ich ihm auch. Er entschuldigte sich sofort, doch für mich stand fest: Dieses Treffen würde unser letztes sein.

Ein paar Monate später scrollte ich durch Facebook und blieb abrupt hängen. Ein Nachruf auf ihn. Er war gestorben. Viel zu jung, viel zu plötzlich. Erst später erfuhr ich über Ecken, dass Drogen – auch Monkeydust – dabei eine Rolle gespielt hätten. Meine Trauer mischte sich mit einem unguten Gefühl von Hilflosigkeit. Bei unserem Date wirkte er so lebensfroh. Und gleichzeitig in den Gesprächen danach auch etwas verloren, wie so viele manchmal in Berlin.

Menschen haben schon immer Drogen aus den unterschiedlichsten Gründen konsumiert. Und auch Chemsex ist kein neues Phänomen. Aber Monkeydust, das Affen-Emoji taucht seit etwa zwei Jahren immer häufiger in schwulen Dating-Apps auf, schon. Vor allem in privaten Chemsex-Sessions macht es seine Runden. Hinter dem seltsamen Namen versteckt sich eine äußerst potente Substanz, meist das synthetische Cathinon MDPHP, aber auch mehrere leicht chemische Abwandlungen. Sidekicks.Berlin, ein Projekt der Schwulenberatung, beschreibt es als eine „rauchbare, stärkere und risikoreichere Variante von Mephedron & 3-MMC – ähnlich wie Crystal Meth eine rauchbare, stärkere und risikoreichere Variante von Speed ist.”

User*innen sprechen von einem intensiven Kick. Binnen Minuten erlebt man Euphorie, gesteigerte sexuelle Lust, Enthemmung, Selbstbewusstsein, und eine schier grenzenlose Energie. Aber auch eine erschreckend schnelle Gewöhnung. Der Drang nach „Redosing“, also dem schnellen Nachlegen, ist besonders ausgeprägt.

Die Sidekicks schreiben dazu: „Monkey Dust kann laut Erfahrungsberichten besonders rasch zu Kontrollverlust über die Konsummenge und -dauer führen. Häufig wird von Nebenwirkungen wie Angst und Paranoia berichtet. Das Risiko für diese Folgen sei noch höher als bei Crystal Meth. Wenn Menschen, die Chemsex betreiben, professionelle Hilfe aufsuchen, hängt das aktuell auffällig oft mit dem Gebrauch von Monkey Dust zusammen.” Es häufen sich die Berichte über kontrollverlustartige Zustände: Menschen berichten von tagelangen Wachphasen, intensiven sexuellen Erlebnissen, aber auch extremer Paranoia, Verfolgungsängsten, Wahnvorstellungen und anderen Angstzuständen.

„Wenn Menschen, die Chemsex betreiben, professionelle Hilfe aufsuchen, hängt das aktuell auffällig oft mit dem Gebrauch von Monkey Dust zusammen.“

Spätestens 2023 tauchten in Großbritannien bereits Berichte über Monkeydust auf. Kurz danach auch in Berlin. Die Unterscheidung zwischen sensationslüsternen, schädlichen Horrorstorys (zwischenzeitlich wurde fälschlicherweise von einer „Zombie-Droge” berichtet) und realen Erfahrungsberichten erweist sich noch als schwierig. Es existieren kaum wissenschaftlich gesicherte Fakten über die Risiken, (Neben-)Wirkungen und Langzeitfolgen. Dementsprechend ist auch das Wissen zu langfristigem Safer Use und Harm Reduction spärlich. Es gibt lediglich Berichte von User*innen. Selbst erfahrene Chemsex-Nutzer*innen warnen inzwischen davor, dass Monkeydust oft härter und unberechenbarer wirke als vergleichbare Substanzen. Bei Überdosierung riskiere man eine lebensgefährliche Überhitzung oder gefährliche psychotische Zustände. Und zu möglichen Langzeitfolgen zählen Psychosen, Herz-Kreislauf-Probleme, starker Gewichtsverlust, Depression und sozialer Rückzug.

Harm-Reduction-Initiativen wie Sidekicks.Berlin oder Checkpoint BLN bemühen sich seit kurzem verstärkt um Aufklärung, wissen aber oft selbst noch zu wenig über genaue Wirkmechanismen und langfristige Folgen. Das Drug-Checking in Berlin identifizierte Monkeydust gelegentlich sogar in Proben, die als andere Substanzen, etwa Mephedron, verkauft wurden. Das erhöht die Gefahr ungewollter und unerwarteter Nebenwirkungen erheblich.

Offen und ehrlich sprechen fällt schwer

Die queere Community diskutiert Monkeydust kontrovers und oft ohne genügend Hintergrundwissen. Offen und ehrlich sprechen? Das fällt schwer. Einerseits fürchtet man Stigma und Verurteilung, andererseits ist die Substanz einfach noch zu neu, zu unbekannt. Aber gerade darum braucht es ehrliche Kommunikation innerhalb der Community. Offene Gespräche über Risiken, Erfahrungen, Dosierungen und sicherere Konsumpraktiken sind entscheidend, um Schäden zu minimieren. Eine akzeptierende, nicht-stigmatisierende Haltung zu Chemsex, ohne die Risiken zu leugnen. Die Berliner Projekte bemühen sich um diese Aufklärung, ohne moralischen Zeigefinger, aber der Weg ist noch weit.

Einerseits fürchtet man Stigma und Verurteilung, andererseits ist die Substanz einfach noch zu neu, zu unbekannt. Aber gerade darum braucht es ehrliche Kommunikation innerhalb der Community.

Mein Date von damals wusste vermutlich selbst nicht genau, welche Risiken er einging. Vielleicht war er zu neugierig, vielleicht zu verloren. Fest steht: Ohne Kommunikation, ohne Wissen um Wirkung und Risiken, ohne weitere Forschung bleibt Monkeydust eine tückische, unberechenbare Droge. Unsere Community braucht Aufklärung, Transparenz und Solidarität – keine Stigmatisierung und kein Schweigen. Sonst drohen weitere Tragödien, die vermeidbar gewesen wären.

Die App KnowDrugs bietet verlässliche Infos zu Wirkungen, Risiken und Safer Use – inklusive aktueller Drug-Checking-Warnungen zu Substanzen. Wer seine eigenen Substanzen analysieren lassen will, kann das legal, anonym und kostenlos beim Drugchecking in Berlin tun. Und wer an seinem Konsum etwas ändern möchtest – oder einfach darüber reden möchte – findest bei der Schwulenberatung Berlin Hilfe ohne Scham.

Bild: privat

Jeff Mannes ist Soziologe, Geschlechterwissenschaftler, Sexualpädagoge und bietet in Berlin Stadtführungen zu Sexualgeschichte, Clubkultur sowie queerer Geschichte an.

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