Nachruf auf Rosa von Praunheim

Adieu, Rosa – Held, Kämpfer, Provokateur

19. Dez. 2025 Axel Schock
Bild: missingFILMs

Am 17. Dezember starb Rosa von Praunheim – Künstler, Autor, Filmemacher und einer der wichtigsten Schwulenaktivisten Nachkriegsdeutschlands. Ein Nachruf von SIEGESSÄULE-Autor Axel Schock

Sein jüngster Film „Satanische Sau“ feierte wie sein erstes Werk „Rosa Arbeiter auf goldener Straße I“ bei der Berlinale Premiere. Dazwischen liegt ein halbes Jahrhundert aktivistisches und künstlerisches Leben. So weit ich in meinem mittlerweile über 40 Jahre währenden schwulen Leben zurückdenke, war Rosa von Praunheim auf die eine oder andere Weise immer präsent. Und als ich 1984 erstmals von ihm las, ein Jahr später meinen ersten Film von ihm sah, hatte er mit „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ bereits die moderne deutsche Homosexuellenbewegung losgetreten. Selbst wenn er danach verstummt wäre, hätte er sich damit bereits einen Platz in der Geschichte gesichert.

Antibürgerlicher Geist

Dabei hat es Rosa weder seinen Freund*innen noch seinen Feind*innen immer leicht gemacht. Wie oft haderte ich mit seinen Filmen, weil sie mit nur ein klein wenig mehr technischem Aufwand und gedanklicher Extraleistung so viel besser hätten werden können.

Derlei Kritik konterte Rosa souverän, indem er sich auch noch im hohen Alter eines avantgardistischen antibürgerlichen Geistes rühmte, quietschfidel mit Einfallsreichtum und Improvisationsvermögen gepaarten Dilettantismus zelebrierte – und damit jegliche künstlerische Kritik ins Leere laufen ließ. Anders wäre wohl auch nicht zu schaffen gewesen, was Rosa in diesen 55 Jahren an Kunst produzierte: angefangen von den rund 150 Kurz- und Langfilmen, darunter die weitsichtige Satire „Ein Virus kennt keine Moral“ und das Camp-Juwel „Die Bettwurst“ (zuletzt auch als Bühnenmusical in der Bar jeder Vernunft ein Hit für eine nachgerückte Generation).

Daneben zahllose Gedichte (von denen er in den letzten Jahren quasi täglich eines produzierte), ein halbes Dutzend Theaterstücke und weitere Musicals (unter anderem zu Rex Gildo), rund 20 Bücher und nicht zu vergessen seine Zeichnungen, Gemälde und Hörspiele. Er hat weder sich noch der Öffentlichkeit lange Ruhepausen gegönnt. Dafür war sein Schaffensdrang einfach zu immens.

In den 1980er- und 90er-Jahren war Rosa gewissermaßen zum selbst ernannten Sprecher der westdeutschen Schwulen avanciert.

Woran es ihm wahrlich nicht mangelte, waren Fantasie, künstlerisches Selbstbewusstsein und ein gutes Gespür für Selbstdarstellung. Das konnte einem durchaus auch mal auf den Geist gehen. In den 1980er- und 90er-Jahren war Rosa gewissermaßen zum selbst ernannten Sprecher der westdeutschen Schwulen avanciert, war omnipräsent in allen Medien, saß in allen Talkshows, in denen es irgendwie um Homosexualität ging, und sorgte allenthalben für Schlagzeilen. Und keineswegs alle Schwulen fühlten sich von ihm, dem alles andere als bürgerlich-gesitteten Homosexuellen, repräsentiert. Ganz im Gegenteil.

Schrille Nervensäge – sowie Held und Kämpfer

An Rosa schieden und scheiden sich bis heute die Geister. Er gilt gleichermaßen als Held und Kämpfer wie als schrille Nervensäge und selbstverliebter Provokateur. Aber, und das darf man nicht vergessen, kein anderer wollte ihm diese Rolle streitig machen. Für sehr lange Zeit war er der einzige prominente Schwule überhaupt, der den Mut aufbrachte, sich im Fernsehen mit homophoben Politiker*innen und Kirchenvertreter*innen anzulegen und im wahrsten Sinne den Kopf hin- und die Anfeindungen auszuhalten.

Für sehr lange Zeit war er der einzige prominente Schwule überhaupt, der den Mut aufbrachte, sich im Fernsehen mit homophoben Politiker*innen und Kirchenvertreter*innen anzulegen
Bild: picture alliance, teutopress
Rosa 1992 in einer NDR-Talkshow mit Gerhard Schröder

Bei manchem, was er im Laufe der Jahrzehnte anzettelte, war Rosa schlecht beraten oder vielleicht auch zu beratungsresistent, zu impulsiv und für Gegenargumente zu wenig offen. Seine Outing-Aktion 1991 in der RTL-Krawallsendung „Der heiße Stuhl“ dürfte er im Nachhinein bereut haben. Vielleicht auch, dass er in der Hochzeit der Aids-Krise als Gastautor des Spiegel dessen schwulenfeindliche und apokalyptische Berichterstattung unterstützt hat.

All dies ist aber längst Teil von Rosas kaum zu überschauendem, einzigartigem und im besten Sinne queerem Gesamtwerk wie des Gesamtkunstwerks, zu dem sich sein Leben und Schaffen immer mehr vereint haben. Dazu gehörte 17 Jahre lang auch sein Lebenspartner und künstlerischer Mitarbeiter Oliver Sechting. Noch vor wenigen Jahren hatten die beiden die Ehe kategorisch abgelehnt, im Dezember haben sie dann doch geheiratet. Auf der Hochzeitstorte, wie sollte es bei Rosa anders sein, thronte ein prächtiger Penis.

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