„On Swift Horses“ – queere Hommage an Melodramen der 50er

In Daniel Minahans „On Swift Horses“ versuchen junge Menschen aus bürgerlichen Zwängen auszubrechen und ein Leben jenseits des heteronormativen amerikanischen Traums zu wagen. Mit seinen leinwandfüllenden Panoramabildern in Pastellfarben ist der Film ein ästhetisches Vergnügen, bleibt aber leider an der Oberfläche, findet SIEGESSÄULE-Filmkritiker Axel Schock
Wenn es nach ihrem Verlobten Lee (Will Poulter) ginge, wären sie längst verheiratet. Der ist zweifellos ein gutmütiger und treusorgender Mann, doch Muriel (Daisy Edgar-Jones) hält ihn hin. Vielleicht weil sie mehr vom Leben erwartet als ein provinzielles Hausfrauendasein tief in der Einöde von Kansas. Eine Sehnsucht, die durch Lees Bruders Julius (Jacob Elordi) einmal mehr bestärkt wird. Als Muriel diesen zum ersten Mal erblickt, räkelt er lasziv seinen nackten, muskulösen Oberkörper auf einer Kühlerhaube. Vielleicht wäre Julius, der gerade mit nichts als seinem Seesack und einem unendlichen Freiheitsdrang aus dem Koreakrieg heimgekehrt ist, die bessere Wahl?
„On Swift Horses“ beginnt als eine emotional komplexe Dreiecksgeschichte: eine Frau zwischen zwei Männern. Denn der sensible und aufmerksame Julius versteht sich blendend mit Muriel. Wie selbstverständlich entwickelt sich eine seelisch tiefe Verbindung, die Muriel bei ihrem Verlobten so sehr vermisst. Wird Julius also seinem Bruder die Braut ausspannen? Das Geflecht aus unerfüllten erotischen Sehnsüchten ist aber weitaus komplizierter, als es zunächst scheint.
Hauptfiguren hadern mit ihrer sexuellen Identität
„On Swift Horses“, basierend auf Shannon Pufahls gleichnamigem Roman von 2019, spielt nicht nur in den von der geistigen Enge wie vom gesellschaftlichen Wandel geprägten 50er-Jahren; der Film ist auch eine Hommage an die großen Hollywood-Melodramen dieses Jahrzehnts. Daniel Minahan, der sich als Produzent und Regisseur großartiger queerer TV-Serien wie „Six Feet Under“ und „The L-Word“ verdient gemacht hat, schwelgt hier in leinwandfüllenden Panoramabildern in der typischen Pastellfarbpalette dieser Kino-Ära. Auch der Cast erscheint wie eine Referenz an diese Zeit. Der introvertierte und doch sehr leidenschaftlich agierende Julius erinnert nicht von ungefähr an Montgomery Clift und James Dean – auch was seine Sexyness und sexuelle Ambivalenz angeht.
Für das Erscheinungsbild von Muriel könnte von der Frisur bis zu den Kostümen die junge Elizabeth Taylor oder Audrey Hepburn Modell gestanden haben. Auch der Filmemacher Todd Haynes hat sich schon einmal mit den Melodramen der 50er auseinandergesetzt. In „Dem Himmel so fern“ zerbricht das geordnete Leben der von Julianne Moore gespielten Hauptfigur, als ihr Ehemann heimlich sein Schwulsein auslebt und ihr eine Liebschaft mit einem Schwarzen Bediensteten unterstellt wird. In „On Swift Horses“ hingegen hadern gleich zwei Figuren mit ihrer sexuellen Identität. Denn Julius‘ Zuneigung zu Muriel ist rein platonisch: Er steht auf Männer. Und Muriel erkennt, dass sie auch für Frauen sexuelles Interesse hegt.
Julius findet sein – vorläufiges – Glück in Las Vegas, als er sich einem temperamentvollen Arbeitskollegen (Diego Calva) in einem Casino annähert. Muriel wiederum zieht mit ihrem nunmehrigen Ehemann Lee in eine Neubausiedlung und lernt dort die toughe und sexy Latinix-Frau Sandra (Sasha Calle) kennen, deren Haus sich als privater Lesbentreffpunkt entpuppt. „On Swift Horses“ ist in erster Linie ein ästhetisches Vergnügen. Doch die Hochglanzbilder wie auch die souverän inszenierten Sexszenen täuschen nicht darüber hinweg, dass diverse Handlungsstränge an manchen Stellen etwas konstruiert erscheinen.
Die Hochglanzbilder wie auch die souverän inszenierten Sexszenen täuschen nicht darüber hinweg, dass diverse Handlungsstränge an manchen Stellen etwas konstruiert erscheinen.
Was im Roman auf 320 Seiten funktionieren mag, knirscht hier auf zwei Filmstunden gedrängt dramaturgisch bisweilen doch sehr. Die emotionalen Nöte, der sexuelle Selbstfindungsprozess der queeren Figuren in ihrem konservativ-repressiven Umfeld spielen nur eine marginale Rolle. Und hier genau unterscheidet sich „On Swift Horses“ dann auch von Todd Haynes‘ „Dem Himmel so fern“ oder seiner Highsmith-Verfilmung „Carol“ und Ang Lees „Brokeback Mountain“. Wirklich emotional zu be-rühren vermag Minahans Film nicht, mögen sich Jacob Elordi und Daisy Edgar-Jones darstellerisch noch so sehr ins Zeug legen.
On Swift Horses,
USA 2024, Regie: Daniel Minahan.
Mit Daisy Edgar-Jones, Will Poulter, Jacob Elordi u. a.
Seit 29.05. im Kino
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