Ort für „Trauer und Wut": Das 23. CTM-Festival

Bei der zweiten Hälfte des 23. CTM-Festivals, das u. a. im Berghain, in der Volkbühne und im SchwuZ stattfindet, kann endlich wieder zu den Klängen angesagter Musikacts getanzt werden. Markus von Schwerin fasst die queeren Highlights zusammen
Auch wenn die Resonanz auf das 2021 nur online stattgefundene Festival für „abenteuerliche Musik und verwandte Künste“ positiv war, sollten im 23. Jahr der ursprünglichen „transmediale“-Begleitveranstaltung (die seit zehn Jahren als CTM unabhängig vom Festival für Medienkunst und digitale Kultur in Erscheinung tritt) wieder Veranstaltungen mit Publikum möglich sein. Aufgrund der hohen Inzidenzen entschied sich das CTM-Organisationsteam aber für eine Zweiteilung des Festivals. So konnten beim Auftakt im Januar immerhin Ausstellungen und bestuhlte Konzerte stattfinden und die Tanzveranstaltungen wurden vorausschauend auf Ende Mai verschoben.
Als dann Mitte März die Pressemitteilung zum zweiten Veranstaltungsblock der 23. CTM versandt wurde, gingen den Infos und der zum Ausdruck gebrachten Freude, „nach zäher Pandemie-Zeit endlich wieder die Energie echter Konzerte und Clubnächte spüren zu können“, allerdings auch Bedenken voran, dass in der jetzigen weltpolitischen Situation „Werbung für ein Musikereignis schmerzlich deplatziert“ erscheinen könne. Dem Schreiben glückt es dann aber beeindruckend, die CTM auch als geeigneten Ort „für den kollektiven und körperlichen Ausdruck von Trauer und Wut“ zu beschreiben.
Reaktionen auf den Ukraine-Krieg
Zumindest lud das Festival mit dem polnischen Industrial-Produzenten, DJ und LGBTIQ*-Aktivisten Avtomat und der französischen House-DJ-Institution Jennifer Cardini zwei queere Künstler*innen ein, die vergangenen Monat direkt auf den Krieg reagiert haben: Avtomat hat mit „Lamenty“ eine EP herausgebracht, deren Tracks – darunter ein Gesangsstück namens „Our Daily Dread“ – er „allen widmet, die durch staatliche Blutrache von ihren Lieben getrennt werden“, Jennifer Cardini organisierte ein fast achtstündiges Solidaritätskonzert, das unter dem Motto „Stand for Ukraine“ von Arte übertragen wurde. Beide sind im Freitagsprogramm der Panoramabar hintereinander gelistet: Avtomat um 6:00, Jennifer Cardini um 9:00 Uhr, was munteren Morgenvögeln die Möglichkeit bietet, Samstag früh mal statt der bewährten Jogging-Route das Berghain anzupeilen und sich musikalisch variantenreich den Stoffwechsel anregen zu lassen.
Fantasievoll tanzen lässt es sich auch zu den mit ungeraden Takten versehenen Klanglandschaften der momentan schwer angesagten Britin Loraine James, die für ihre abwechslungsreich gestalteten Alltagsskizzen aus dem Leben einer „young Black queer woman“ in London Gastsänger*innen aus fast allen Genres gewinnen konnte. Ihre facettenreiche Lockdown-Bewältigung „Reflection“ wurde jüngst in der Rubrik „Alternative & Club & Dance“ der Bestenliste vom „Preis der Deutschen Schallplattenkritik 2022“ gelistet und auch ihr aktueller Ambient-Ausflug unter dem Projektnamen Whatever The Weather ist bereits in aller Munde.
Nicht minder spannend sind die perkussiven Klangfeuer der aus Manchester stammenden Jennifer Walton, die am 25.05. direkt nach Loraine James auf der Berghain-Bühne ihre jüngste LP „White Nurse“ präsentieren wird. Und mit den Rapperinnen Delish da Goddess (New Orleans) und Bandista (São Paulo) können bei der CTM-Abschlussparty am 29.05. im SchwuZ gleich zwei wortstarke Empowerment-Ikonen-in-spe erlebt werden.
SIEGESSÄULE präsentiert
CTM 2022, 23.5.– 29.5.,
diverse Locations u. a. Berghain, Volksbühne, Monom
Programm unter: ctm-festival.de
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