Interview mit Constanze Körner

Reform des Abstammungsrechts: Endlich mehr Rechte für lesbische Eltern

4. März 2024 Selina Hellfritsch
Bild: Mia Brucheisen

Das Abstammungsrecht soll dieses Jahr reformiert und damit die Diskriminierung lesbischer Mütter beendet werden. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) stellte Mitte Januar ein Eckpunktepapier vor. Wir haben über die kommende Reform mit der Leiterin des Regenbogenfamilienzentrums Lichtenberg und des Vereins Lesben* Leben Familie (LesLeFam) e. V. Constanze Körner gesprochen

Wie ist der erste Eindruck des Eckpunktepapier zur Reform des Abstammungsrechts? Erstmal finden wir es großartig, dass das Abstammungsrecht endlich angegangen wird. Wir hatten Bedenken, dass es in dieser Legislatur nicht mehr dazu kommen könnte, da sich auch andere Vorgänge wie das Selbstbestimmungsgesetz lange hinziehen. Aber jetzt haben wir etwas in der Hand, mit dem wir arbeiten können.

Inwiefern verändert die Reform das Leben lesbischer Eltern zum Positiven? Diese Reform des Abstammungsrechts ist immens wichtig für die Familienplanung und rechtliche Absicherung der Kinder und Eltern queerer Familien. Die Diskriminierung lesbischer Mütter soll beendet werden, indem beide Eltern von Geburt des Kindes an anerkannt werden, so wie es bei heterosexuellen Familien bereits der Fall ist. Das ist besonders für lesbische Mütter, die die größte Gruppe queerer Familien darstellen, von großer Bedeutung.

„Die Diskriminierung lesbischer Mütter soll beendet werden, indem beide Eltern von Geburt des Kindes an anerkannt werden, so wie es bei heterosexuellen Familien bereits der Fall ist.“

2017 wurde die Ehe für alle beschlossen – was ist seitdem passiert? Eigentlich muss man viel weiter zurückschauen: 2001 wurde das Lebenspartnerschaftsgesetz eingeführt und 2005 kam die Stiefkindadoption dazu, die es Partner*innen in gleichgeschlechtlichen Ehen erlaubte, das leibliche Kind des*r anderen zu adoptieren. Schnell hat sich aber herausgestellt, dass das Gesetz behördliche Hürden und Diskriminierung birgt. Mit der Ehe für alle gab es dann die Möglichkeit ein fremdes Kind zu adoptieren, allerdings waren auch hier die Vorgänge mit viel Bürokratie verbunden. Seit 2017 warten wir darauf, dass das Abstammungsrecht angepasst wird.

Mit der Reform fällt also die verpflichtende Stiefkindadoption für gleichgeschlechtliche Eltern weg oder profitieren nur verheiratete Paare davon? Die Stiefkindadoption soll komplett wegfallen – egal, ob verheiratet oder nicht. Zwei Frauen sollen auch ohne Adoptionsverfahren rechtliche Mütter eines Kindes werden können. Wir finden es allerdings sehr schade, dass es keine Rückwirkungsfristen für bereits laufende Verfahren geben soll.

Gibt es weitere Punkte, die ihr kritisiert? Ja, laut dem Papier sollen die Termini Mutter und Vater zementiert bleiben und es gibt scheinbar keinen Weg, das zu verändern. Die bestehende sexuelle und geschlechtliche Vielfalt wird dadurch geleugnet und die Elternschaft nicht binärer und trans* Personen nicht dargestellt. Wir hatten gehofft, dass man diese Chance nutzt, um die Vielfalt darzustellen, anstatt weiterhin Diskriminierungen zu reproduzieren.

„Laut dem Papier sollen die Termini Mutter und Vater zementiert bleiben und es gibt scheinbar keinen Weg, das zu verändern.“

Ab wann wird die Reform gelten? Wir als LesLeFam und auch andere Organisationen konnten unsere Stellungnahmen abgeben, die erstmal geprüft werden. Im Frühjahr soll es dann einen konkreten Gesetzesentwurf geben, worauf die Anhörungsphase folgt. Wir hoffen, dass das Gesetz Ende des Jahres in Kraft tritt.


Die Reform sieht vor, dass ein Kind weiterhin nur zwei Elternteile hat. Es soll allerdings eine Elternschaftsvereinbarung in Kraft treten – was hat es damit auf sich? Wir fordern schon lange, dass es eine Vereinbarung vor der Zeugung braucht, die rechtlich bindend ist. Wir erleben es in unserem Beratungsalltag ständig, dass nach der Zeugung oder Geburt sich bei der Elternschaft viel verändern kann. In diesem Rahmen braucht es eine rechtliche Absicherung für das Kind und die Eltern. Die Elternschaftsvereinbarung soll festlegen, wer neben der gebärenden Person der zweite Elternteil werden soll, auch außerhalb einer Ehe und welche Rolle beispielsweise ein privater Samenspender einnimmt.

„Es gibt ein zweites Eckpunktepapier zum Kindschaftsrecht, in dem Umgang und Unterhaltsfragen reformiert werden sollen.“

Gibt es weiterhin Belange von Regenbogenfamilien, die nicht erwähnt wurden und für die es eine politische Lösung braucht? Dieses Eckpunktepapier ist ein Meilenstein – jetzt kommt es darauf an sich im Detail damit zu befassen, wie der Gesetzesentwurf gestaltet wird. Es gibt ein zweites Eckpunktepapier zum Kindschaftsrecht, in dem Umgang und Unterhaltsfragen reformiert werden sollen. In beiden Fällen werden wir uns mit Jurist*innen austauschen, um sicher zu gehen, dass die Gesetzestexte inklusiv formuliert werden. Unser Rechtssystem basiert leider immer noch auf dieser Binariät zwischen Mann und Frau, die es aufzubrechen gilt.

Constanze Körner leitet das Regenbogenfamilienzentrum Lichtenberg und den Verein LesLeFam

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