Sonne, Sex und Trauma: das lesbische Sommerdrama „Hot Milk“

In dem lesbischen Drama „Hot Milk“, dem Regiedebüt der Drehbuchautorin Rebecca Lenkiewicz, bringt eine Touristin eine britische Studentin dazu, sich aus der toxischen Bindung zu ihrer Mutter zu lösen
Gleich ein Spoiler vorweg: In „Hot Milk“ geht es weder um Milch im Speziellen noch um Heißgetränke allgemein. Der Titel ist wohl eher bildhaft für die Atmosphäre in Rebecca Lenkiewicz‘ Debütfilm zu verstehen. Denn nicht nur, dass in dem spanischen Küstenort Almería eine erbarmungslos drückende Hitze herrscht, im Innern der Anthropologiestudentin Sofia brodeln die Emotionen, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Kipppunkt erreicht ist und die angestaute Wut sich wie überkochende Milch ihren Weg bahnt.
Beim Zuschauen fragt man sich recht bald, wie Sofia, gespielt von Emma Mackey („Sex Education“, „Barbie“), es überhaupt so lange hat aushalten können. Denn ihre Mutter Rose, die unter mysteriösen Lähmungserscheinungen und sporadischen, dann aber unerträglichen Schmerzen in den Beinen leidet, verlässt sich ganz auf die Hilfe und Fürsorge ihrer Tochter. Doch statt es ihr zu danken, lässt sie ihre Verbitterung an Sofia aus und versucht sie mit allen Mitteln an sich zu binden.
Almería könnte nun ein Wendepunkt werden. Ein dubioser Heiler soll Rose von ihren Leiden befreien. Ist dieser Dr. Gomez (Vincent Perez) einfach nur ein geldgieriger Quacksalber, der Roses Verzweiflung ausnutzt? Oder vielleicht doch ein unverhofft fähiger Gesprächstherapeut, der tiefer in Roses Familiengeschichte bohrt, als es der lieb ist?
Sex im Mondschein
Traumata, verdrängte Geschichte und Lügen sind es letztlich, die drei Frauen in „Hot Milk“ miteinander verbinden. Die Dritte im Bunde hat ihren ersten Auftritt wie in einem Kitschroman: In grelles Sonnenlicht getaucht reitet Ingrid (Vicky Krieps) in Slow Motion und mit im Wind flatternder weißer Bluse auf die am Strand liegende Sofia zu und in deren Leben hinein. Diese ist sofort fasziniert von der freigeistigen Berlinerin, und es dauert nicht lange, bis sie nächtens im Mondschein auf der Terrasse Sex haben.
Auch wenn es den Eindruck erwecken mag: „Hot Milk“ ist keine lesbische Romanze. Die bis zuletzt undurchsichtige und kaum greifbare Ingrid bestärkt Sofia zwar unbewusst darin, sich endlich aus den Fesseln ihrer manipulativen Mutter zu befreien. Sofia muss allerdings auch erfahren, dass sie die sexuell umtriebige Ingrid keineswegs exklusiv für sich hat. Dafür findet sie in ihr einen Menschen, mit dem sie erstmals über ihr Kindheitstrauma sprechen kann, das sie an ihre Mutter bindet.
„Hot Milk“ basiert auf dem gleichnamigen Roman der Britin Deborah Levy, der es 2016 auf die Short List für den renommierten Booker Preis geschafft hatte. Für die Leinwand hat sie ihr Buch selbst bearbeitet. Wie in ihren Drehbüchern, etwa für das Me-too-Drama „She Said“, „Colette“ oder „Ida“, stehen auch in „Hot Milk“ widerspenstige, starke Frauen im Zentrum. Die beiden herausragenden Hauptdarstellerinnen – Emma Mackey als fragile, zwischen Fürsorge und Freiheitsdrang zerrissene Sofia und Fiona Shaw als herrschsüchtige Narzisstin Rose – liefern sich einen schauspielerisch exquisiten Zweikampf.
Emma Mackey als zwischen Fürsorge und Freiheitsdrang zerrissene Sofia und Fiona Shaw als die herrschsüchtige Rose liefern sich einen schauspielerisch exquisiten Zweikampf.
Zugleich vermögen Emma Mackey und Vicky Krieps in Liebes- und Sexszenen die Anziehung und Leidenschaft zwischen Sofia und Ingrid glaubhaft umzusetzen. Was die beiden aber tatsächlich anzieht, bleibt jedoch im Vagen. Als Gesamtwerk vermag „Hot Milk“ deshalb nur bedingt zu überzeugen. Das liegt auch an Rebecca Lenkiewiecz‘ überambitionierter Erzählweise. Mit unübersehbarer Symbolik wie etwa einem angeketteten, ständig kläffenden Hund oder giftigen Quallen im Meer, mit sich wiederholenden Szenen und bewusst gesetzten Lücken täuscht sie eine bedeutungsschwangere Kunstfertigkeit an, die ihr Film jedoch nur bedingt einlösen kann.
Hot Milk,
GB 2024,
Regie: Rebecca Lenkiewicz.
Mit Emma Mackey, Fiona Shaw, Vicky Krieps u.a.
Ab 03.07. im Kino
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