Trans* Geschichte zum Anziehen

Mit seinem Label Custom Settings verwandelt Cosmo Bauer Secondhandkleidung in tragbare Archive und zeigt, wie Fashion zu Selbstbestimmung und zu einer Verbindung mit trans* Ahn*innen werden kann
Als Cosmo Bauer in einem Stapel Zeitschriften im Spinnboden-Archiv blättert, stößt er auf Stimmen von trans* Menschen – verborgen in den Seiten der lesbischen Publikation Die Freundin aus den 1920ern. Sie sind erschreckend aktuell: Wir finden keine Jobs, wir finden keine Wohnung, so ähnlich heißt es in den überlieferten Texten. Diese existenziellen Probleme belasten trans* Personen bis heute.
Aus den Archiv-Fragmenten formt Cosmo seine Mode: Collagen aus Anzeigen der 1960er bis 90er, kombiniert mit eigenen Illustrationen, per Hand auf alte Kleidung gesiebdruckt. Mit jedem Hemd, jedem T-Shirt trägt man Geschichte auf der Haut. „Trans* Geschichte auf deinem Ärmel“ nennt er es. Sein Label Custom Settings ist dabei keine Marke im klassischen Sinn, sondern ein queerer Gegenentwurf zu „Default Settings“, also zu gesellschaftlichen Vorgaben, wie Körper sein sollen.
Statt den Status quo als gegeben hinzunehmen, versteht Cosmo Körper und Kleidung als Material, das sich anpassen lässt, als eine Art zugängliches Body-Hacking.
Statt den Status quo als gegeben hinzunehmen, versteht Cosmo Körper und Kleidung als Material, das sich anpassen lässt, als eine Art zugängliches Body-Hacking und einen Weg, sich Autonomie zurückzuholen in einer Welt, die trans* Körper ständig politisiert. „Kleidung ist eine Erweiterung deines Körpers“, sagt Cosmo. Sie sei quasi die erste gender-affirmative Handlung.
Ästhetische Verbindung zu trans* Geschichte
Während rechte Politik trans* Leben delegitimiert und unsichtbar machen will (was Cosmo als ein klares Ablenkungsmanöver zu systematischen Problemen unserer Zeit sieht), zeigt er die Kontinuitäten von trans* Geschichte. Seine Archivarbeit reanimiert Stimmen, Anzeigen und Fragmente queerer Standhaftigkeit und knüpft so eine ästhetische Verbindung zwischen der heutigen Community und ihren Ahn*innen.
Custom Settings steht damit in den Traditionen des Design-Hackings aus trans* und disabled Communitys, in denen DIY überlebenswichtig ist. Cosmo inszeniert Transgendersein dabei ironisch als verkaufbares Produkt, als eine Art spielerische Auseinandersetzung mit seinem Kapitalisierungspotenzial („Regenbogen-Transkapitalismus”).

Archivcollagen wie „It keeps getting better and better“ wurden zu Prints, die mittlerweile als tragbare Flaggen zirkulieren. Das Schönste, sagt Cosmo, sei der Moment, wenn ein Kleidungsstück eine Persönlichkeit so sehr einfängt, dass es wirkt, „als hätte die Person es schon immer getragen”. Ihm gehe es nicht darum, schnell viel zu verkaufen, sondern Lieblingsstücke zu schaffen, die lange bleiben. „Und wenn sie irgendwann doch weitergegeben werden, dann hoffentlich an die gewählte Familie.“
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