Konflikte um den CSD e. V.

Was ist los beim Berliner CSD-Verein?

2. Juni 2023 Philip Eicker, pb
Bild: Brigitte Dummer

Gerüchte um finanzielle Unstimmigkeiten, ein laufendes Gerichtsverfahren und die Intransparenz des Vorstands des Berliner CSD e. V. überschatten den Start in die Pride Season. SIEGESSÄULE fragte nach dem Stand der Planung und was an den Berichten über angebliche Querelen im Verein dran ist

Steckt der CSD e. V. in einer Krise? Im Frühjahr schien es so: Ein Mitglied des im November gewählten Vereinsvorstands Aron Sircar trat Ende Januar schon wieder zurück und der queere Newsletter des Tagesspiegels berichtete recht vage von Unstimmigkeiten und Diskussionen zu den Finanzen rund um das größte Community-Event Berlins. Mehrere E-Mails der SIEGESSÄULE zur Klärung der Lage blieben unbeantwortet. Plötzlich stand die Frage im Raum: Zerlegt sich der Verein, der erst vor einigen Jahren einen Neustart gewagt hatte?

„Zerlegt sich der Verein, der erst vor einigen Jahren einen Neustart gewagt hatte?“

Heute, am 2. Juni, verstärkte vor allem ein Artikel auf Queer.de diesen Verdacht. Der Bericht bezieht sich u.a. auf die Risiko-Evaluation, die das kurzzeitige Vorstandsmitglied Aron Sircar erstellt hatte sowie auf weitere Unterlagen und Schriftwechsel aus dem Vereinsumfeld. Darin ist von nicht dokumentierten Transaktionen mit Dienstleister*innen, Vorauszahlungen von ungewöhnlich hohen Honorarbeträgen und fragwürdigen Überweisungen in die Schweiz die Rede. Außerdem habe sich eine Gruppe von 13 Mitgliedern mit der Bitte einer außerordentlichen Mitgliederversammlung an den CSD-Vorstand gewandt, um die brisanten Fragen zu klären. Der CSD-Vorstand habe aber darauf bestanden, mit der Klärung bis zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung (nach dem CSD) zu warten.

Im Kontrast dazu hatte der CSD-Vorstand Anfang Mai gegenüber SIEGESSÄULE Entwarnung gegeben und die fehlenden Reaktionen auf Presseanfragen erklärt: Die Mails seien bloß im Spamfilter hängen geblieben. „Auch in einem Verein gibt es, bei einer Vielzahl von Mailadressen, manchmal auch eine Adresse, die technische Herausforderungen mit sich bringt“, bedauerte Vorstandsmitglied Patrick Ehrhardt. Aber viel wichtiger: „Die Finanzierung der diesjährigen Pläne ist gesichert, und der Verein erwartet – zum aktuellen Stand – für ein weiteres Jahr eine positive Bilanz.“ Die werde auf der nächsten Mitgliederversammlung vorgestellt.

Der Vereinsvorstand sendet also zwei Monate vor Demostart am 22. Juli das klare Signal: Beim großen Berliner CSD ist alles in Ordnung. Zweifel bleiben, weil sich das Team zu einigen strittigen Fragen weiterhin gar nicht äußern möchte: kein Kommentar zum Rücktritt von Kurzzeit-Vorstand Aron Sircar, kein Kommentar zur außerordentlichen Mitgliederversammlung. Nur dass der Verein an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist, bestätigt Vorstand Patrick Ehrhardt der SIEGESSÄULE – ohne genauere Infos, worüber verhandelt wird.

Mehr Aufschluss bringt hoffentlich ein großes Interview, das uns der CSD-Vorstand für die Juli-Ausgabe zugesagt hat. Das Interview wird voraussichtlich am Montag, den 5. Juni stattfinden.

Update: CSD-Vorstand weist Vorwürfe zurück

In einer Pressemitteilung bezieht der CSD-Vorstand heute, am 5. Juni, Stellung „zu den erschienenen Medienartikeln“ und weist alle darin genannten Vorwürfe zurück. Der Vorstand des CSD e. V. stellt klar, dass alle Gastro-Einnahmen des Jahres 2022 „steuerrechtlich rechtzeitig eingezahlt“ wurden, „vollständig und korrekt“ seien. Die Beträge, die in die Schweiz überwiesen wurden, seien „Zahlungen auf erbrachte Leistungen“ gewesen. Der Verein hätte nie vorab Honorare ohne Rechnung überwiesen. Laut der Pressemitteilung seien „sämtliche Vorwürfe schon vor Monaten einer juristisch umfassenden Prüfung unterzogen worden“. Dabei seien keine rechtlichen Verstöße entdeckt worden.

CSD-Planung: Demo soll kürzer werden

Auch unabhängig von den mutmaßlichen Konflikten, stehe der CSD-Verein laut Patrick Ehrhardt aktuell vor Herausforderungen. Im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie seien die Kosten für die Organisation des Riesenevents – erwartet werden eine halbe Million Menschen – „extrem angestiegen“. Als Beispiel für zusätzliche Investitionen nennt Patrick Ehrhardt mehr Abfallbehälter und mehr mobile Toiletten. Sie sollen dafür sorgen, dass die Demostrecke und das Abschlussfest auf der Straße des 17. Juni weniger zugemüllt und vollgepisst werden als in den Jahren zuvor.

Insgesamt will der CSD e. V. die Umwelt weniger belasten. Es soll weniger Müll anfallen und die Zahl der beteiligten Lastwagen wurde auf 75 begrenzt. Neben der CO2-Einsparung soll so auch die Dauer der Demo zeitlich reduziert werden. Entsprechende Forderungen habe es 2022 gegeben, berichtet Patrick Ehrhardt, nachdem der CSD-Zug mehr als zehn Stunden lang durch Berlin geschlichen war. Die Lkw-Plätze sind bereits alle belegt. Kleinere Einzelfahrzeuge und vor allem Fußgruppen können sich aber noch bis zum 21. Juni anmelden.

Davon abgesehen soll der 45. Christopher Street Day Berlins in etwa so ablaufen wie im Vorjahr. Zum bewährten Konzept gehört auch der Pride Month Berlin, der 2023 zum zweiten Mal stattfinden wird. Ab 28. Juni präsentiert der CSD e. V. rund 30 Veranstaltungen, die Aktivist*innen und Initiativen der Community auf die Beine stellen. Das Angebot spannt einen weiten Bogen von der Karrieremesse Sticks & Stones in der Verti Music Hall über einen Lyrikabend im Eisenherz bis hin zu einem FLINTA*-Selbstverteidigungskurs. „Unser größtes Anliegen als Vorständ*innen ist eine breitere Wahrnehmung unserer eigenen Community-Themen und -Bedürfnisse, aber auch der Bau von Brücken zum Rest der Gesellschaft“, sagt Vorstandsmitglied Stella Spoon.

Die Fokusthemen: HIV & Aids, Regenbogenfamilien, Kink & Fetisch, Osteuropa sowie Safer Spaces von trans*, inter*, nicht binären sowie bi+- und pansexuellen Personen.

Bild: Berliner CSD e. V.
Vorstand des CSD e. V. (v. l. n. r.): Patrick Ehrhardt, Stella Spoon, Seyran Ateş, Ulli Pridat

Pride Month Berlin, 28.06.–23.07.
CSD-Demo, 22.07.,
Anmeldefrist für Fußgruppen: 21.06.
csd-berlin.de

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