Was macht die ViRo-Praxis für Trans*-Medizin?
Die ViRo Praxis in Berlin ist eine der ersten medizinischen Anlaufstellen in der Stadt, die sich explizit an trans* Personen richtet. ViRo-Doktor Martin Viehweger hofft, dass sich andere Praxen bald anschließen
Medizinische Versorgung ist für viele trans* Personen alles andere als eine Selbstverständlichkeit. In Berlin ist die ViRo Praxis eine der wenigen und ersten Anlaufstellen, die sich vertrauenswürdig an trans* Personen wendet. In dem aktuellen politischen Klima ist es ein widerständiger Akt – und macht die Praxis zur Angriffsfläche. Doch das Team hofft, andere zu inspirieren, ihnen zu folgen und die große Versorgungslücke zu schließen.
„Ich wünsche mir, dass es weitere Praxen gibt, die ebenfalls Interesse haben, mitzuwirken“, sagt Dr. Martin Viehweger von der ViRo-Praxis im Gespräch mit SIEGESSÄULE. Ursprünglich ist die Praxis nur auf Infektiologie spezialisiert gewesen, also auf die Betreuung von Menschen, die mit HIV oder Hepatitis leben, Tuberkulose oder anderweitig sexuell übertragbare Krankheiten haben oder sich darauf testen lassen wollen.
Mittlerweile ist die Praxis aufgrund der hohen Nachfrage strukturell dreigeteilt: Ein Drittel der Arbeitszeit für Trans*-Medizin, ein Drittel für Infektiologie, ein Drittel für politische Bildung. „Was es bedeutet, als medizinische Fachperson eine gute Begleitung und Behandlung für trans* Personen anzubieten, wird an der Uni nicht gelehrt. Wer wann und wie eine Diagnose stellt, muss man sich momentan noch selbst aneignen“, so Viehweger.
„Was es bedeutet, als medizinische Fachperson eine gute Begleitung und Behandlung für trans* Personen anzubieten, wird an der Uni nicht gelehrt.“
Es müsse eine flächendeckende Sensibilisierung für transaffirmative Medizin geben. Er ist Teil des Arbeitskreises transaffirmative Medizin, der Weiterbildungsmodule für niedergelassene Ärzt*innen aufbaut. Aktuell begleiten vor allem Endokrinolog*innen Menschen in diesem Prozess. Die fachärztliche Hormonbehandlung macht allerdings nur einen Bruchteil der Transition aus. Und bei persönlichen und alltäglichen Fragen können Endokrinolog*innen, wenn überhaupt, nur bedingt helfen.
Belastend sind auch die bürokratischen Hürden. Den Aufwand, der hinter einer Transition steckt, könnten viele gar nicht bewältigen. Es fehle häufig der Rückhalt der Familie oder des sozialen Umfelds. Auch wenn das neue Selbstbestimmungsgesetz erste Entlastung gebe, sei es noch nicht lange genug in Kraft, um tatsächliche Verbesserungen zu bringen. Die überfällige gesetzliche Neuregelung bessere lediglich die Fehler der letzten Jahrzehnte notdürftig aus, berücksichtigt aber kaum aktuelle Entwicklungen. Nicht binäre trans Personen sind im neuen Gesetz etwa nicht eingeschlossen. Krankenkassen übernehmen nur dann die Behandlungen, wenn die Transition binär stattfindet.
„Unbequem sein!“
Es sei höchste Zeit, eine neue Herangehensweise zu finden. Viehweger hofft auf mehr Aktivismus von medizinischem Fachpersonal und appelliert: „Unbequem sein, auch mal anecken auf Fachkongressen.“ Um die Probleme von innen anzupacken, brauche es mehr trans* Personen in der Ausbildung, doch dem stehe momentan noch ein absurd hoher und elitärer Numerus clausus im Weg. Viehweger selbst geht mit seiner Arbeitsgruppe transaffirmative Medizin als Beispiel vorweg. Diese bemüht sich, medizinische Bedürfnisse zu betrachten und die Perspektiven der Community zu integrieren.
Praxisgemeinschaft
ViRo Schillerkiez
Okerstr. 11
12049 Berlin
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