Kundgebung

Zukunft ungewiss: Das queere Wagenplatzkollektiv „Mollies“

16. Nov. 2020 Paula Balov
Bild: Galya Feierman
Aktivist*innen des queeren Wagenplatzkollektivs „Mollies“

Die Freiräume für alternative Lebenskonzepte sind in Berlin massiv bedroht. Nach der Liebig34 steht mit dem queeren Wagenplatzkollektiv „Mollies“ ein weiteres Projekt vor der Verdrängung

„Es gibt nicht genug nicht kommerzielle queere Räume, in die Menschen kommen können, egal, ob sie Geld haben oder nicht“, finden die Aktivist*innen des queerfeministischen Wagenkollektivs „Mollies“. Und die wenigen Berliner Freiräume dieser Art, die es gibt, müssen um ihr Bestehen kämpfen oder wurden bereits verdrängt, wie die Liebig34.

Auch der Platz des queeren Wagenkollektivs „Mollies“ muss geräumt werden, denn an der Rummelsburger Bucht sollen ab November Eigentumswohnungen und ein riesiges Aquarium entstehen. Das Wagenkollektiv wohnt auf einer „privaten Fläche, die durch den Investor zur Realisierung der Wohnbauziele des B-Plans entwickelt werden muss“, erklärt Katrin Dietl, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Gegen diesen Bebauungsplan gab es Ende 2019 bereits eine Volksinitiative: „Bucht für Alle“. Den Baustopp konnte sie zwar nicht erreichen, doch immerhin forderte das Abgeordnetenhaus im März den Senat dazu auf, die Wagenkollektive bei der Suche nach Ersatzflächen zu unterstützen. Bis heute steht die Hilfe allerdings aus.

Kundgebung vor dem BEV

In zahlreichen Aktionen versuchte das Kollektiv sich Gehör zu verschaffen, angefangen mit Kundgebungen vor dem Bundeseisenbahnvermögen (BEV). Das Ziel: Druck auf das BEV ausüben und es dazu bewegen, über die Nutzung brachliegender Grundstücke zu verhandeln. Also Flächen, die als neues Zuhause für das Kollektiv infrage kämen. Bislang zeigte sich das BEV nicht zu Gesprächen bereit und beteiligte sich auch nicht am „Runden Tisch”, den die Aktivist*innen ins Leben gerufen haben.

Am 16.11., von 14:00 bis 17:00 Uhr, soll erneut vor dem BEV am Steglitzer Damm eine Kundgebung stattfinden. Es geht um den Erhalt von Freiräumen und queeren Safe Spaces. Im Aufruf weisen die „Mollies“ daraufhin: „Die Fläche am Tempelhofer Feld liegt brach und wartet darauf, von uns bewohnt zu werden. Und wir haben immer noch kein neues Zuhause und wollen den Winter nicht in Unsicherheit verbringen."

Kampagne „Wagenplätze retten"

Von Politik und Verwaltung fordert das Kollektiv, die Versprechen einzuhalten und für Ersatzflächen zu sorgen. Um mit vereinten Kräften an die Politik herantreten zu können, verbündeten sich die „Mollies“ mit den ebenfalls betroffenen Wagenplatzprojekten „DiesalA“ und „Wagenkunst Rummelsburg“ und starteten die Kampagne „Wagenplätze retten“. Das Kollektiv setzt sich damit nicht nur für eigene Interessen ein, sondern sieht die Initiative als umfassenden „Kampf gegen Gentrifizierung, gegen die Verdrängung von solidarischen Lebenskonzepten und von Wagenplätzen generell“. Unterzeichnet haben u. a. Georg Kössler und Canan Bayram (Grüne) sowie Hendrikje Klein (Linke).

Auch die Sprecherin für Stadtentwicklung der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Katalin Gennberg, unterstützt die Initiative: „Als Linke haben wir dafür gesorgt, dass sich die rot-rot-grüne Landesregierung auch im Koalitionsvertrag zu diesen Orten der alternativen Stadtproduktion bekennt.“ Sie plant, das „Thema Wagenplätze als Orte gemeinwirtschaftlicher Stadtproduktion“ auf die Tagesordnung im Stadtentwicklungsausschuss zu setzen und konkrete Unterstützung vom Senat zu fordern.

Queere Solidarität

Bis eine Lösung gefunden wird, bleibt die Zukunft für den queeren Wagenplatz ungewiss. Trotz der intensiven Suche haben sie noch keine Alternative gefunden: „Die Stadt zieht es vor, freie Flächen an private Investor*innen zu vergeben, anstatt sie bedrohten Lebensräumen zu überlassen.“ Viele der Bewohner*innen können sich nicht vorstellen, nicht mehr in einer queeren Gemeinschaft zu wohnen. 2014 gründeten sie das Kollektiv, weil sie einen Lebensraum kreieren wollten, in dem „queere Solidarität“ sowie „Sensibilität und Respekt füreinander“ vorherrschend sind. Das ist ihnen gelungen: Es entstand ein Safer Space für Queers, der sich aktiv für Solidarität mit BIPoC und Sexarbeiter*innen aussprach, alternative Lebensentwürfe und DIY-Philosophie förderte und Aktivist*innen ermöglichte, sich zu vernetzen. Das Kollektiv schuf nichtkommerzielle Angebote für die LGBTI*-Community, z. B. Sauna und Wellness speziell für trans*, inter* und nichtbinäre Menschen oder Infoabende zu queeren Themen.

Projekte wie diese will das Kollektiv auch in Zukunft anbieten können und setzt aktuell alles daran, weiterhin Druck auf Grundeigentümer*innen aufzubauen und sie „ständig an ihre Verantwortung zu erinnern“.

InDISCOtabel, Kundgebung mit den Wagengruppen Wagenkunst Rummelsburger Bucht, Queeres Wagenkollektiv Mollies und DieselA
16.11., 14–17:00, Steglitzer Damm 117

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