Kündigung wegen Sanierung

Zwei Lesbenorganisationen auf die Straße gesetzt

15. Nov. 2022 Amanda Beser
Bild: BACW

Seit 2019 hat die Rad und Tat Berlin gGmbH, die sich um die Umsetzung des Berliner Lesbenwohnprojekts kümmert, ihr Büro im Unternehmerinnen-Centrum West (UCW) in Wilmersdorf. Ebenfalls dort ansässig ist der Dachverband Lesben und Alter. Das Bezirksamt wird Anfang 2023 das Gebäude in der Sigmaringer Straße sanieren. Deswegen wurden die Mietverträge der beiden Organisationen gekündigt

Das Haus in der Sigmaringer Straße 1 hat eine lange Geschichte. Seit 2005 beherbergt das ehemalige Gesundheitsamt Kleinunternehmerinnen, Vereine und Ateliers. Fünfzehn Jahre lief es unter dem Namen Unternehmerinnen- und Gründerinnenzentrum Charlottenburg-Wilmersdorf, bis das bezirkseigene Gebäude schließlich 2016 in Unternehmerinnen-Centrum West (UCW) umbenannt wurde. Als einer der letzten Frauenorte dieser Art bietet das UCW zu vergleichsweise niedrigen Mieten eine wertvolle Zuflucht. Damit soll nun vorerst Schluss sein.

Sanierungsbedingte Kündigungen

Der RuT Berlin gGmbH und dem Dachverband Lesben und Alter ist zum Jahresende gekündigt worden. Sie müssen sich nun schnellstmöglich neue, bezahlbare Büroräume suchen. „Wir hängen völlig in der Luft. Einen Plan B gibt es nicht“, beschreibt Jutta Brambach die aktuelle Situation. Sie ist sowohl im Vorstand des Dachverbandes Lesben und Alter als auch Leiterin des zukünftigen Lesbenwohnprojektes in der Berolinastraße in Berlin-Mitte.

„Wir sind mit dem Haus zufrieden, alles funktioniert, aber das kann man vermutlich unterschiedlich beurteilen,“ sagt sie in Bezug auf die Notwendigkeit der bevorstehenden Sanierung.

Plötzlich auf die Straße gesetzt

Verwaltet wird das Haus von der Gesellschaft für StadtEntwicklung gGmbH, mit der auch die Mietverträge geschlossen sind. Zum Jahresende ist auch ihr gekündigt. Anfang des vergangenen Sommers kam dann die Kündigung für Rad und Tat Berlin gGmbH und den Dachverband. Überraschend für die Mietparteien war, dass das Bezirksamt aufgrund der Sanierungsvorhaben keine neuen Mietverträge mit den gekündigten Organisationen schloss.

„Damit haben wir nicht gerechnet. Wir haben hier unsere Büroräume, in denen wir auch unsere Arbeitsplätze haben, da sind die Schreibtische, unsere Regale, unsere ganzen Aktenordner, das ganze Material – alles ist hier drin“, sagt Jutta Brambach. „Ich habe keine Ahnung, wo wir das lassen können.“ Brambach verweist darauf, dass auch eine private Unterbringung unmöglich sei, da alle Mitarbeiterinnen in kleinen Wohnungen wohnten und niemand einen Keller habe, der groß genug sei, um die gesamte Büroausstattung und Projektmaterialien dort übergangsweise unterzustellen.

„Wir wollen mehr Frauen stärken“

Das Haus in der Sigmaringer Straße sei nach Einschätzung des Bezirksamtes in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Es entspreche nicht dem technischen Standard, habe marode Fenster, dadurch Energieverlust und auch das Dach solle ausgebessert werden.

„Wir haben das große Glück, dass wir jetzt Geld haben um die Sanierungen durchzuführen. Dieses Geld steht uns leider nicht immer zur Verfügung, so dass wir gezwungen sind, jetzt tatsächlich zu handeln und die Baumaßnahmen durch zuführen“, erklärt Heike Schmitt-Schmelz, Stellvertretende Bezirksbürgermeisterin von Charlottenburg-Wilmersdorf. Sie begreift die Sanierung des UCW als Chance.

Laut dem Bezirksamt sollte das UCW Frauen ermutigen, Unternehmen zu gründen. Im Moment sei es aber so, dass Vereine und Einzelunternehmer*innen in dem Gebäude ansässig sind, die sich nicht mehr in der Gründungsphase befinden. Deswegen möchte das Bezirksamt ein neues Konzept für das UCW entwickeln.

„Wir wollen mehr Frauen die Möglichkeit geben, ihr Gewerbe hochzuziehen, aufzubauen und auch zu verstetigen als wir es jetzt können,“ erklärt sie. „Zur Zeit ist es so, dass sich die Frauen einen Raum im Gebäude anmieten und dann dort oft sehr lange als Mieter*innen bleiben. Unbenommen, für jede einzelne Mieter*in ist es toll in dem Haus zu sein und günstige Mieten über einen langen Zeitraum zu haben. Aber für alle, die vor der Tür stehen, ist es natürlich nicht gut und deswegen wollen wir mit dem neuen Konzept mehr Frauen die Möglichkeit geben, sich gewerbemäßig aufstellen zu können.“ Das Bezirksamt folge dabei einer Evaluierung der Weiberwirtschaft von 2019 für das UCW, sagt Schmitt-Schmelz.

Das Gebäude solle nach der Sanierung auch ein Familienservice-Büro und eine Anlaufstelle für ein Bürger*innenbeteiligungsbüro beherbergen, teilt Schmitt-Schmelz mit. Außerdem solle ein Co-Working-Space entstehen und es weitere Angebote für Gründer*innen und flexibles Arbeiten geben.

Für Jutta Brambach ist das absolut unverständlich. „Das klingt eigentlich richtig gut, dass wieder Unternehmerinnen in der Startphase unterstützt werden sollen, nur die Realität ist einfach eine andere,“ bemerkt sie. „Wenn im Grunde kein Raum mehr für Frauenunternehmen da ist oder für Vereine, wie soll das funktionieren und wo bleiben vor allem die ganzen Organisationen und kleinen Unternehmerinnen, die jetzt schon hier drin sind?“

„Frauenförderung ist das nicht“

Hinzukommt, dass die Sanierungspläne des Bezirksamtes für das Lesbenwohnprojekt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt kommen, da es sich momentan in der heißen Phase seiner Umsetzung befindet (SIEGESSÄULE berichtete). „Für uns ist es richtig übel“, erklärt Jutta Brambach. „Das heißt wir müssen hier alles zusammenpacken und irgendwo anders hinziehen, sofern wir denn was finden. So sind wir eine bestimmte Zeit einfach gar nicht arbeitsfähig und das geht nicht.“

Von Lagerflächen, die ihnen vom Bezirksamt angeboten worden wären, wisse Brambach nichts. „Bei mir ist keine Information angekommen, weder per Mail noch per Post, und beim Dachverband auch nicht“, sagt Brambach.

Ihre Fragen zum Mietvertrag, die Höhe der Miete, Zeitraum und Dauer der Sanierung, die das Lesbenwohnprojekt und der Dachverband in einem gemeinsamen Schreiben an Schmitt-Schmelz und die Bezirksbürgermeisterin Kirstin Bauch Anfang September gerichtet hätten, seien bis heute unbeantwortet geblieben. „Warum wird nicht gemeinsam nach Lösungen für angekündigte Übergangszeiten gesucht?“, fragt sie und kritisiert: „Frauenförderung ist das nicht! Wenn einem Gleichstellung oder Frauenförderung am Herzen liegt, oder politisch gewollt ist, dann finde ich es wirklich ein Desaster.“

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