Feministische Bücher

10 Lesetipps zum internationalen Frauen*kampftag

7. März 2024
Bild: Pexels/cottonbro studio

Zum internationalen Frauen*kampftag am 8. März empfehlen wir zehn aktuelle queerfeministische Bücher – von Essays, Jugendliteratur und Comics bis hin zu Ratgebern

Bild: Ebersbach & Simon

1. Paukenschläge aus dem Paradies

Als die offen lesbisch lebende Suffragette Ethel Smyth 1944 mit 86 Jahren starb, hinterließ sie ein beeindruckendes Œuvre aus Kompositionen und Büchern. Sie war befreundet mit Virginia Woolf, komponierte die feministische Hymne „The March of the Women“. Brahms lobte ihre Opern – und lehnte sie hasserfüllt ab, als er erfuhr, dass eine Frau sie geschaffen hatte. Trotz aller Widrigkeiten behielt Smyth ihren Humor, wovon man sich in ihren neu übersetzten Memoiren überzeugen kann. Christina Mohr

Ethel Smyth: Paukenschläge aus dem Paradies (dt. Heddi Feilhauer), Ebersbach & Simon, 240 Seiten, 24 Euro

Bild: Piper

2. Schreib den Namen deiner Mutter

Nach dem vielgepriesenen Essayband „Power Bottom“ veröffentlicht Evan Tepest jetzt seinen*ihren Debütroman. Darin geht‘s um eine Mutter-Tochter-Beziehung: Alex ist queere Schriftstellerin in Berlin, die Mutter weigert sich, über Queerness zu reden. Als Alex die Einladung erhält, bei einem Sammelband von Künstlerinnen mitzumachen, die über „das Unaussprechliche zwischen ihnen und ihren Müttern“ reflektieren, reist sie ins Ruhrgebiet und setzt sich – an 21 Schreibtagen – mit ihrer Familiensituation auseinander. kc

Evan Tepest: Schreib den Namen deiner Mutter, Piper, 144 Seiten, 22 Euro

Bild: Jaron Verlag

3. Ich bin meine eigene Frau: Ein Leben.

Mai 1991. Frühlingsfest im Garten des Gründerzeitmuseums Mahlsdorf. Das Tina-Turner-Double hat sich schon abgeschminkt, unter einem kitschig scheinenden Mond tanzen Schwule und Lesben. Plötzlich Geschrei. 30 Skinheads stürmen die Tanzfläche. Mit Eisenstangen schlagen sie auf die Gäste ein. So beginnt Charlotte von Mahlsdorfs Autobiografie „Ich bin meine eigene Frau”. An diesem Maitag rannte sie mit einer eisernen Hacke aus dem Haus, bereit zuzuschlagen. Mahlsdorf wurde 1928 in Berlin geboren. Sie war Zeitzeugin der Nazi-Gräueltaten und später des Lebens in der DDR sowie eine der bekanntesten trans Frauen Deutschlands. Ihre Autobiografie erschien 1992. Ein Klassiker, den Rosa von Praunheim sofort verfilmte. Jetzt wurde das Buch erstmals wieder aufgelegt, wohl auch, um Mahlsdorfs Geschichte einer neuen Generation zugänglich zu machen – in meinem eigenen Freund*innenkreis von Anfang 20-Jährigen kannte sie niemand. Ich auch nicht. Dabei ist das, was Mahlsdorf zu erzählen hat, noch immer höchst aktuell. Ich habe jedenfalls die Seiten verschlungen und bin von ihrer Courage berührt. Ella Strübbe

Charlotte von Mahlsdorf: Ich bin meine eigene Frau: Ein Leben. Mit einem Fotoessay von Burkhard Peter, Jaron Verlag, 240 Seiten, 16 Euro

Bild: Carlsen Verlag

4. United Queerdom

Geschichtliches als Comic zu erzählen – Art Spiegelman hat es in den 80ern mit „Maus“ vorgemacht. Seitdem hat sich diese Art von historischer Weitergabe etabliert und zu einem eigenen Genre entwickelt. Auch für biografische Zusammenstellungen vernachlässigter Frauen der Geschichte wie die von Pénélope Bagieu oder queere Memoires wie von Alison Bechdel. Kate Charlesworth vereint in ihrer ersten eigenen Graphic Novel gleich mehreres: geschichtliches Panorama und persönliche Lebensgeschichte. Es verwundert nicht, dass The Guardian ihr Werk als „sofortigen Klassiker“ bezeichnet. Auf 320 illustrierten Seiten gibt „United Queerdom“ einen Abriss über rund 70 Jahre (nicht nur) britischer LGBTIQ*-Geschichte. Das ist unglaublich vielfältig, historisch detailliert recherchiert, steckt voller Wiedererkennungsmomente und Humor, spart aber auch schwierigere Themen nicht aus. So zum Beispiel der problematische Umgang von Charlesworth‘ Mutter mit ihrem Lesbisch-Sein, Übergriffigkeiten aus der eigenen Familie usw. Die zeitgeschichtlichen Seiten erinnern an Liv Strömquist: Bearbeitete Originalfotos, Filmplakate, Flyer oder Zeitungsausschnitte werden durch journalistische Infotexte ergänzt. Persönliche Einblicke dagegen sind frei illustriert und geben einen verblüffend privaten Einblick in Charlesworth‘ Leben zwischen den 1950ern und 2016. Das alles ist keine einfache Lektüre, aber ein historischer wie privater Abriss mit Tiefgang. Simone Veenstra

Kate Charlesworth: United Queerdom (dt. Hanna Reininger), Carlsen Verlag, 320 Seiten, 32 Euro

Bild: Ravensburger

5. Die Traumspinnerin

Autorin (und SIEGESSÄULE-Autorin) Simone Veenstra hat ihr erstes Bilderbuch veröffentlicht. Eine nicht binäre Freund*in vermisste solche Literatur als Kind und war die Inspiration zum Buch. Die Hauptperson Luca will wissen: Was machen eigentlich Sterne, Tiere, Blumen, Menschen, während Luca schläft? Und was macht Mama, die dann arbeitet? Gemeinsam mit Papa geht Luca auf Entdeckungstour. Text und Illustrationen (von Almud Kunert) lassen offen, welches Geschlecht Luca hat, ohne explizit darauf einzugehen. Herausgekommen ist eine zauberhafte Gutenachtgeschichte, die eigentlich viel zu schön ist, um dabei einzuschlafen. kc

Simone Veenstra: Die Traumspinnerin, Ravensburger, 32 Seiten, 15 Euro

Bild: transcript

6. Handbuch Queere Zeitgeschichten

Das Forschungsnetzwerk „Queere Zeitgeschichte im deutschsprachigen Europa“ verbindet Forschende aus unterschiedlichen Ländern und Disziplinen. Zusammen versuchen sie, LGBTIQ*-Geschichte sichtbar zu machen und die Vergangenheit mit dem Heute zu verbinden. Es soll – so erfährt man in der Einleitung – der Graben zwischen englisch- und deutschsprachiger Wissenschaft überbrückt werden und methodisch bewusst queerfeministisch an Themen wie „Cruising“, „Archive und Sammlungen“, „Zuhause“ oder „Theater“ herangegangen werden. Das sind alles Titel von Einzelkapiteln in diesem ersten von drei geplanten Bänden. Er widmet sich „Räumen“, die queer gelesen werden sollen. So werden z. B. „Kontaktanzeigen“ zwischen 1970 und 2022 untersucht oder der Stadtplan für Lesben mit dem Titel „Berlin – Exclusiv für Sie & Sie“ von 1994. In anderen Kapiteln geht es um die Stasi und eine lesbische IM in den 60ern, um ein „Interview mit einer psychiatrisierten Lesbe“ 1982 sowie um „Fotos aus der Fotosammlung Rita ‚Tommy‘ Thomas“. Bei manchen Analysen könnte man einwenden, das sei sehr „gewollt“, etwa wenn die „Flirtereien auf Kongressen der Frauenbewegung um 1900“ oder die „Begegnungen auf den Lesbenfrühlingstreffen seit den 1970er-Jahren“ als „Cruising“ im Sinne der mann-männlichen Praxis interpretiert werden. Spannend ist es allemal. Alle 20 Essays sind bebildert. Die Einleitung erklärt, warum man sich dafür entschied, in diesen historischen Kontexten das Wort „queer“ zu benutzen, obwohl die Herausgeber*innen das selbst als „anachronistisch“ bezeichnen. kc

Andrea Rottmann, Martin Lücke, Benno Gammerl (Hrsg.): Handbuch Queere Zeitgeschichten 1: Räume, transcript, 280 Seiten, 39 Euro

Bild: Reprodukt Verlag

7. Snapdragon

Eine Hexe lebt im Wald hinter der Siedlung, in der Snapdragon mit ihrer Mutter wohnt. Wie es sich für eine Hexe gehört, ernährt sie sich von überfahrenen (und geklauten Haus-)Tieren und hat eines ihrer Augen dem Teufel geopfert. So wird es zumindest hinter vorgehaltener Hand geflüstert. Snap aber gibt nichts auf Gerüchte, denn sie und ihr*e beste*r Freund*in Louis erfahren immer wieder, wie schnell daraus Gemeinheiten werden. Nachdem Jack, die vermeintliche Waldhexe, Snaps geliebtem Hund Good Boy das Leben rettet, ist für das Mädchen klar: Jack lebt und denkt ganz anders als die meisten, hier ist sie absolut „richtig“. Gemeinsam päppeln sie einen verwaisten Wurf Opossumbabys auf, arbeiten an Jacks Tierskeletten, die verkauft werden, und entwickeln eine wunderbare Freundschaft. Ja, Snap vermutet sogar, dass Jack auf mysteriöse Weise mit ihrer eigenen Familie verbunden ist – und womöglich doch Magie praktiziert! Doch als die äußere Welt mit ihrer Gewalt, Willkür und Machtgier schließlich auch ihren Zufluchtsort im Wald zu vergiften droht, müssen Snap und Jack sich entscheiden: Mit welchen Mitteln wollen sie wofür kämpfen? Denn Magie gibt es wie die Liebe in unendlich vielen Formen: beide sind herausfordernd, wunderbar, einzigartig und manchmal gilt es dabei, auf sich und andere Menschen zu vertrauen. „Snapdragon“ macht vor, wie ein tolerantes, inklusives, achtsames, lustiges und respektvolles Miteinander funktioniert und schenkt uns eines der schönsten lesbischen Happyends des Jahres. Ein Buch für alle Lesenden von 10 bis 103 Jahren. Simone Veenstra

Kat Leyh: Snapdragon (übers. v. Matthias Wieland), Reprodukt Verlag, 240 Seiten, 20 Euro

Bild: Ullstein Verlag

8. Pornopositiv

Filme und Serien haben kein Problem, Stalking als „romantischen“ Liebesbeweis zu zeigen. Auch Kriegsfilme voller Gewalt und Mord werden von den Öffentlich-Rechtlichen problemlos zur besten Sendezeit ausgestrahlt. Aber wenn‘s um Porno geht, dann kommt die große „Wir müssen Zuschauende schützen“-Arie. Pornoregisseurin und -darstellerin Paulita Pappel möchte mit ihrem Buch „Pornopositiv: Was Pornografie mit Feminismus, Selbstbestimmung und gutem Sex zu tun hat“ das Genre aus der Schmuddelecke holen und verdeutlicht durch private Geschichten sowie Einblicke in ihre Arbeit am Set, warum es unsere Gesellschaft positiv beeinflussen würde, überholte Vorstellungen von Pornografie zu überdenken. Morten Bäcker

Paulita Pappel: Pornopositiv, Ullstein Verlag, 208 Seiten, 16,99 Euro

Bild: Verlag C. H. Beck

9. Die anderen Geschlechter

Dagmar Pauli arbeitet an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Zürich und ist stellvertretende Direktorin. Seit 2010 gibt es dort eine Trans*Beratung. In ihrem Buch geht es um wissenschaftlich aufbereitete Erfahrungen, die Pauli seither mit dem Thema Trans* sammeln konnte. Adressiert ist es an die Mehrheitsgesellschaft und besonders an jene, die mit dem Thema trans* Kinder und Jugendliche unmittelbar, also im Alltagsleben, konfrontiert sind – zum Beispiel als Sorgeberechtigte, Erziehende, Ärzt*innen, Lehrer*innen. Das Buch ist ein Ratgeber und versteht sich als Aufklärung und Wissensvermittlung. Es ist ein längst fälliges, unaufgeregt argumentierendes Buch, und, ganz wichtig, es ist gut lesbar und voller Empathie. Es befördert die völlig vergiftete Trans*-Debatte, wie sie von Alice Schwarzer und der Zeitschrift Emma, von Eva Engelken und dem ganzen verbohrten rechten Spektrum zwischen „Demo für alle“ und „Lasst Frauen sprechen“ seit Jahren geführt wird, dorthin, wo sie hingehört – auf den Müllhaufen. „Ich lerne täglich“, sagt Pauli. Sie will der jungen Generation eine Stimme geben und den Erwachsenen helfen, diese anzuhören. Klar ist, skandalisierende Übertreibungen müssen endlich aufhören, denn beim Thema Trans* geht es um Menschen und deren Leben – nicht um Ideologie. Nora Eckert

Dagmar Pauli: Die anderen Geschlechter, Verlag C. H. Beck, 272 Seiten, 18 Euro

Bild: LYX

10. How Do I Tell Them I Love Them?

In „Felix Ever After“ schilderte Kacen Callender das Gefühlschaos, das Felix als Teenager auf der Suche nach der passenden trans* Identität erlebt. Diesmal geht‘s um einen komplette Schulgang, die sich als nicht binär oder trans* identifiziert. Alle sind 17, viele bezeichnen sich als „neurodivers“ und klagen über „Adultismus“. Sie wollen die Welt auf den Kopf stellen. Gleichzeitig sind sie – speziell Lark und Kasim – nicht in der Lage, über Gefühle zu sprechen. Sie kommunizieren nur über Twitter, was zu Kränkungen, Shitstorms usw. führt. Callender taucht ein ins Innenleben queerer Jugendlicher. Das ist anstrengend, aber wichtig. kc

Kacen Callender: How Do I Tell Them I Love Them? (dt. Anne-Sophie Ritscher), LYX, 368 Seiten, 18 Euro

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