Kommentar

Bi-Erasure in der queeren Szene: Streit um Billie Eilish und Fletcher

22. Sept. 2025 Selina Hellfritsch
Bild: Raph_PH CC BY 4.0 Quelle
Billie Eilish bei einem Konzert in London am 14. Juli 2025

Wenn queere Sängerinnen mit Männern gesehen werden, explodieren die Kommentarspalten. Die Debatten um Billie Eilish und Fletcher zeigen: Biphobie und Bi-Erasure sind noch immer Realität – auch in der LGBTIQ*-Community. SIEGESSÄULE-Redakteurin Selina Hellfritsch kommentiert

Der September steht ganz im Zeichen der Sichtbarkeit für die Bi+-Community: Sowohl die Bisexual Awareness Week als auch der Bi+ Visibility Day am morgigen 23. September geben dem oft übersehenen B die Aufmerksamkeit, die es verdient. Man möchte meinen, dass wir mittlerweile Biphobie und Bi-Erasure, also das Leugnen und Umdeuten von Bisexualität, hinter uns gelassen haben, aber ein Blick in aktuelle Popkultur-Debatten belehrt eines Besseren.

Denn: Das Internet war mal wieder wütend. Auslöser der neu entfachten Empörung waren unter anderem die Musikerinnen Billie Eilish und Fletcher. Der Vorwurf: Queerbaiting und Betrug der lesbischen und WLW-Community („women loving women“). Während Billie Eilish knutschend mit dem Schauspieler und Musiker Nat Wolff in Italien gesichtet wurde, veröffentlichte die US-amerikanische Sängerin Fletcher ein neues Album samt der Single „Boy“, in der sie die Liebe zu einem Mann enthüllte. Und das, obwohl die beiden Künstlerinnen doch zuvor von der Community als Sapphic Idols auserkoren worden waren.

„Ausgerechnet“ im Pride-Monat?

Es folgten Memes, in denen Social-Media-User*innen den „Verlust“ der queeren Stars betrauerten und sich am Zeitpunkt der Ereignisse aufhängten: Wie können sie uns das ausgerechnet im Pride-Monat „antun“? In der Tat ist queere Repräsentation in einer Zeit, in der Donald Trump trans* Menschen ihre Existenz abspricht, große Unternehmen ihre Diversitätsprogramme einstellen und gewaltbereite rechte Gegenproteste auf CSD-Demos zunehmen, so gefährdet wie lange nicht mehr. Da fällt es umso mehr auf, wenn eine einflussreiche Sängerin wie Fletcher vorübergehend ihren sapphischen Content löscht, um Platz zu schaffen für ihre Single „Boy“, die von der Ästhetik her an den aktuellen Tradwife-Trend erinnert. Andererseits hat Flechter sich nie als Lesbe bezeichnet und bevorzugt das Label queer.

Entgegen den aufgeregten Kommentarspalten bleibt Billie Eilish weiterhin bi, pan oder queer, selbst wenn sie derzeit einen Mann datet.

Auch Billie Eilish hat sich nie auf ein Label festgelegt, sondern wurde vielmehr bei einem Interview mit der Zeitschrift Variety geoutet und sagte: „Ich stehe auf Boys und Girls, lasst mich bitte einfach in Ruhe.“ Wollte man diesem Statement ein Label verpassen, dann wäre es bi, pan oder queer. Getreu diesen Labels und entgegen den aufgeregten Kommentarspalten bleibt Billie Eilish auch weiterhin bi, pan oder queer, selbst wenn sie derzeit einen Mann datet.

Bild: Justin Higuchi CC BY 2.0 Quelle
Fletcher live im Greek Theatre in Los Angeles am 09. Oktober 2024

Wer die Debatten um die Sängerinnen bewerten will, sollte Bifeindlichkeit nicht ausklammern. Wenn etwas Kritik verdient, dann das heteronormative Makeover von Fletcher – nicht ihre fluide sexuelle Orientierung.

Wenn etwas Kritik verdient, dann das heteronormative Makeover von Fletcher – nicht ihre fluide sexuelle Orientierung.

Fakt ist: Bisexuelle Personen erfahren doppelte Diskriminierung, sowohl aus hetero Kreisen als auch aus der queeren Community. Schnell werden sie anhand aktueller Partner*innen in Schubladen gesteckt. Zur Auswahl stehen nur zwei Labels: Homo oder Hetero. Singt Billie Eilish in „Lunch“ davon, mit einer Frau intim zu sein, macht sie das lesbisch – und küsst sie einen Mann, ist sie nicht mehr queer. Bisexualität wird kategorisch ausgeschlossen und findet selten Erwähnung. Dabei sollte es gerade die queere Community besser wissen, als Menschen in Schubladen zu stecken.

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