Politik

Diskriminierung lesbischer Eltern: Adoptionshilfe-Gesetz soll entschärft werden

1. Juli 2020 fs
Bild: Mia Brucheisen

Die diskriminierende Beratungspflicht für lesbische Eltern im neuen Adoptionshilfe-Gesetz könnte doch entfallen. Ein neuer Gesetzesentwurf soll bis zum Herbst vorgelegt werden

Viel Kritik gab es von queerer Seite am neuen „Adoptionshilfe-Gesetz“, das Ende Mai im Bundestag beschlossen wurde. Denn das Gesetz sah eine verpflichtende „Adoptionsberatung“ auch für lesbische Ehepaare vor, die sich gemeinsam als rechtliche Eltern ihres Kindes eintragen lassen wollen (SIEGESSÄULE berichtete).

Wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe in den Mittwochausgaben berichten, könnte es so schlimm nun doch nicht kommen: in einer Protokollnotiz, die dem dem Gesetzentwurf angefügt werden soll, verpflichte sich die Bundesregierung, zum Ende des dritten Quartals 2020 einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Dieser solle sicherstellen, dass bei sogenannten Stiefkindadoptionen innerhalb einer Ehe eine Adoptionsberatung nicht verpflichtend ist.

Lesbische Eltern immer noch nicht gleichgestellt

Für lesbische Familien sind die Regelungen zur Stiefkindadoption hoch relevant. Grund dafür ist eine immer noch bestehende Ungleichbehandlung im Abstammungsrecht: Wird ein Kind in eine Hetero-Ehe geboren, hat es automatisch zwei rechtliche Eltern und der Ehemann wird automatisch als Vater des Kindes anerkannt, unabhängig davon, ob er der „biologische“ Vater ist. Für lesbische Elternpaare gilt dies nicht – damit beide Elternteile rechtlich anerkannt werden, muss die Mutter, die das Kind nicht geboren hat, dieses erst in einem langwierigen bürokratischen Prozeß adoptieren.

Reicht die Ausnahme, um Diskriminierung zu verhindern?

Die Grünen-Fraktion kritisierte die Protokollerklärung der Regierung als unzureichend. Sie sei „in sich widersprüchlich und mit heißer Nadel gestrickt“, sagten Vize-Fraktionschefin Katja Dörner und die queerpolitische Sprecherin Ulle Schauws den Funke-Zeitungen. Die Beratungspflicht solle zwar entfallen, wenn die Ehe bei Geburt des Kindes bereits bestand. Die Adoptionsvermittlungsstellen müssten sich aber weiterhin an den gerichtlichen Verfahren zur Stiefkindadoption beteiligen, was ohne Beratung gar nicht möglich sei.

Gesetz kommt am Freitag in den Bundesrat

Am Freitag, den 3. Juli, steht das Adoptionshilfe-Gesetz auf der Tagesordnung des Bundesrates, der dem Entwurf erst noch zustimmen muss. Anlässlich dessen erklärte Gabriela Lünsmann vom Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD), man begrüße es sehr, „dass aus vielen Landesregierungen deutliche Kritik an der von der Bundesregierung im Adoptionshilfe-Gesetz geplanten Verschärfung der Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien geäußert wurde.“ Der LSVD appelliere an die Landesregierungen, konsequent zu bleiben und das Gesetz im Bundesrat nicht passieren zu lassen, solange es die Diskriminierung lesbischer Paare verschärft.

LGBTI*-Verbände fordern seit langem, Regenbogenfamilien endlich gleichzustellen. Eine Petition des LSVD und des Kampagnenbündnis AllOut für eine Reform des Abstammungsrechts erreichte bereits über 65.000 Unterschriften.

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#lesbisch#Stiefkindadoption#Regenbogenfamilien#Adoptionshilfegesetz#Diskriminierung

Update 3. Juli 2020

Bundesrat lehnt Gesetz ab

Der Bundesrat hat dem Adoptionshilfe-Gesetz in seiner jetzigen Form heute die Zustimmung verweigert.

Giffey stellt Neuregelung in Aussicht

In der der Abstimmung vorangehenden Debatte kündigte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) an, dass bereits bis zum 18. September ein Gesetzentwurf vorgelegt werden solle, der eine Ausnahmeregelung für lesbische Elternpaare vorsieht. Die Beratungspflicht würde damit entfallen. Beide Gesetze – das Adoptionshilfe-Gesetz und die Ausnahmeregelung – könnten dann gleichzeitig zum ersten Oktober in Kraft treten.

Zuvor hatten Manfred Lucha und der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen in Redebeiträgen kritisiert, dass die bloße Ankündigung, eine Ausnahme für lesbische Elternpaare einführen zu wollen, nicht ausreiche.

Grüne: „Beratungspflicht durch die Hintertür“

Selbst dann, wenn lesbische Paare von der Beratungspflicht ausgenommen würden, berge das Adoptionshilfe-Gesetz außerdem eine „Beratungspflicht durch die Hintertür“, sagte Manfred Lucha, Landtagsabgeordneter der Grünen in Baden-Württemberg. Denn lesbische Mütter müssten sich für eine Stiefkindadoption nicht nur, wie bisher, vor einem Familiengericht erklären, sondern noch zusätzlich vor den Adoptionsvermittlungsstellen. Demnach müsse klar „sichergestellt werden, dass wir im Oktober keine Gesetzessituation haben, die lesbische Mütter noch stärker benachteiligt.“

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