„Queering the Crip, Cripping the Queer"

Erste internationale Ausstellung über Queerness und Behinderung

30. Aug. 2022 Muri Darida
Bild: Joey Solomon
Teil der Ausstellung ist auch dieses Foto von Joey Solomon: „Selbstporträt mit Robert Andy Coombs in meinem Stundent*innenwohnheim Manhattan, New York, 2019

Vom 2. September bis zum 30. Januar widmet sich die Ausstellung „Queering the Crip, Cripping the Queer“ im Schwulen Museum der Geschichte und Kultur queerer und behinderter Menschen. SIEGESSÄULE hat mit dem Kurator Kenny Fries über die erste internationale Ausstellung zu diesem Thema gesprochen

Queer und Crip, also „Krüppel“, sind ursprünglich beleidigende Fremdbezeichnungen. Queere und behinderte Communitys haben sie sich historisch als Selbstbezeichnung angeeignet. „Queering the Crip, Cripping the Queer“ ist auch der Titel einer Ausstellung im Schwulen Museum, die behinderte und queere Körper und Geschichte ins Zentrum stellt. Kuratiert hat sie Kenny Fries. Er ist queerer und behinderter Autor und kommt aus New York City, lebt aber in Berlin. „,Queering the Crip, Cripping the Queer’ wird die erste internationale Ausstellung zu queerer und behinderter Kultur und Geschichte“, sagt er.

Die Ausgrenzung und Abwertung queerer und behinderter Körper wie auch deren Widerstand sind historisch verbunden: „Queere und behinderte Menschen waren z. B. beide von medizinischer und juristischer Unterdrückung betroffen“, so Fries. „Es gibt viele historische Parallelen, die ihren Höhepunkt im 20. Jahrhundert fanden, als homosexuelle Personen und behinderte Menschen gleichermaßen von den Nazis systematisch ermordet wurden.“

Ein Fall, dem sich die Ausstellung widmet, ist die Ermordung des schwulen und behinderten Hans-Friedrich Festersen. „Die Menschen wurden zwar basierend auf dem Paragrafen 175 verhaftet und kamen ins KZ, wurden aber nicht zwangsläufig auf derselben Grundlage ermordet“, erklärt Fries. Der Paragraf 175 war die rechtliche Grundlage für die Kriminalisierung männlicher Homosexualität. „Die Nazis haben Festersen 1943 am Plötzensee ermordet, weil sie ihn als behinderten Mann als lebensunwert einsortierten.“ In der Ausstellung wird Festersens Geschichte anhand von Briefen und Dokumenten nachgezeichnet.

Ein weiterer Bestandteil sind Arbeiten aus der Prinzhorn Sammlung, genauer Wilhelm Werners „Steralationszeichnungen“, die sich mit seiner Zwangssterilisation im Nationalsozialismus auseinandersetzen. Eine weitere Parallele: Behinderten und auch queeren Menschen, vor allem trans* Personen, wird historisch und bis heute oft die Autonomie und die Expertise, über ihre Körper entscheiden zu können, abgesprochen. Die Grundlagen der jeweiligen Unterdrückung sind also verbunden, sowohl gegen behinderte als auch gegen queere Menschen wurde gesetzlich vorgegangen. „Im 19. Jahrhundert gab es in den USA etwa die ,Ugly Laws’, die besagten, dass behinderte Menschen in der Öffentlichkeit nicht auftauchen sollten, da es beleidigend sei, sie sehen zu müssen“, sagt Fries. „Auch der Paragraf 175 in Deutschland gab nur vor, jüngere Männer vor älteren zu beschützen – real ging es darum, dass Homosexualität als ein Angriff auf die öffentliche Moral gesehen wurde.”

Bild: aus der Sammlung von Larry Gerber
Riva Lehrer „66 Degrees“, Selbstporträt, Acryl auf Papier, 2019

Ein Zeichen gegen Stigma

Mit der Ausstellung im Schwulen Museum will Fries zeitgenössische Kunst als Medium nutzen, um die gemeinsame Geschichte besprechbar zu machen. Von daher sind die meisten vertretenen Künstler*innen sowohl behindert als auch queer. Ein großer Teil der Ausstellung sei laut Fries auch den Ikonen der queeren und behinderten Bewegung gewidmet, etwa der Schwarzen Autorin Audre Lorde, die mit einer Sehbehinderung lebte.

Die Ausstellung soll selbst ein möglichst zugänglicher Ort für queere und behinderte Besucher*innen werden. Aus dem Grund wird es einmal im Monat eine Führung in Deutscher Gebärdensprache geben, Audioguides für sehbehinderte Menschen, Bodenschilder sowie taktile Objekte mancher Arbeiten. Außerdem wird der Haupteingang des Museums verschlossen bleiben, sodass alle Besucher*innen den barrierefreien Eingang nutzen müssen. Über dem Eingang wird das schwarze Dreieck hängen, das Symbol, mit dem behinderte Menschen, Sexarbeiter*innen und auch lesbische Frauen im Konzentrationslager gekennzeichnet waren. Das Zeichen ist Teil einer Arbeit der kanadischen Künstlerin Elizabeth Sweeney und soll als ein Zeichen von Stolz und gegen Stigma wirken. Die Ausstellung öffnet am 1. September. Begleitend findet vom 9. bis 17. September ein Performance-Festival in den Sophiensæle statt.

Queering the Crip, Cripping the Queer,
02.09.–30.01., Mo+Mi+Fr 12:00–18:00,
Do 12:00–20:00, Sa 14:00–19:00, So 14:00–18:00,
Schwules Museum, Lützowstr. 73, Mitte

Vernissage: 01.09., 19:00

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