Über Lust, Libido und Asexualität

Maria Popov im Interview über ihr Buch „Kein Bock Club“

9. Okt. 2025 Selina Hellfritsch
Bild: Sophia Emmerich
Maria Popov ist über den YouTube-Kanal „Auf Klo“ bekannt geworden

Maria Popov erklärt, warum ein sexpositiver Lebensstil die Norm ist, besonders in LGBTIQ*- Kreisen. Das setzt Queers unter Druck, die wenig oder keine Lust verspüren. Ihr Buch lädt dazu ein, sich von fremden Erwartungen zu befreien

Die meisten dürften Maria Popov vom YouTube-Kanal „Auf Klo“ kennen. Jahrelang war sie Moderatorin für dieses Format des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, bei dem sie zusammen mit Gästen über Themen rund um Sexualität, Freundschaft, Beziehungen und vermeintliche Tabus sprach. Wenig überraschend ist es, dass sie nun ein Buch zu diesen Themen veröffentlicht hat, allerdings mit dem speziellen Dreh: Sex sei überbewertet, schreibt sie.

„Ich habe immer offen darüber gesprochen, dass ich queer bin, aber nicht, dass ich asexuell bin.“

In ihrem Sachbuch „Kein Bock Club“ mit dem Untertitel „Warum wir auch mal keine Lust auf Sex haben“ thematisiert Popov Asexualität, sexuelle Unlust und den Druck sowie die Scham, die mit Sex in unserer Gesellschaft einhergehen. Begleitend erzählt sie Anekdoten aus ihrem eigenen Sex- und Liebesleben und wie sie für sich das Label asexuell entdeckte. „Ich habe immer offen darüber gesprochen, dass ich queer bin, aber nicht, dass ich asexuell bin“, sagt sie im SIEGESSÄULE-Interview. Zu groß sei die Angst vor Verurteilung und Ablehnung gewesen. Eine asexuelle Moderatorin, deren Job es ist, über sexpositive Themen aufzuklären? Heute weiß sie: Das ist kein Widerspruch und dem A im queeren Kosmos gebühren Sichtbarkeit und Akzeptanz.

Keine Libido ist nicht gleich Leidensdruck

In ihrem Buch spricht sie davon, dass wir in einer „Sexosociety“ leben und bezieht sich dabei auf den Begriff der Genderforscherin Ela Przybylo. „Die meisten Menschen leben in der Annahme, dass wir alle Sex haben müssen, um ein gesundes Leben zu führen. Das nennt man auch Allonormativität“, erklärt Popov. „Das wiederum führt dazu, dass viele aus Verlegenheit oder Schuldgefühlen heraus Sex haben.“ Wer dem Ideal der „Sexosociety“ nicht entspreche, müsse sich für seine Unlust rechtfertigen oder lebe mit dem Gefühl, sich umstimmen lassen zu müssen – vor allem, wenn man eine funktionierende romantische Beziehung führen möchte, schreibt Popov im Kapitel „Alles ist Sex! – Ist Sex alles?“

„Obwohl die Medizin so weit wäre, können viele Ärzt*innen in der Praxis nicht zwischen Asexualität und sexueller Funktionsstörung unterscheiden.“

„Seitdem ich als Moderatorin mehr Bekanntheit erreicht habe, wurde ich oft gefragt, ob ich nicht ein Buch schreiben will“, erzählt Popov. „Es hat einige Jahre gedauert, bis ich ready dafür war, aber ich wusste schon damals: In Deutschland gibt es zu wenig Bücher über Bocklosigkeit und den Hype um Sex.“ Nach und nach befassen sich zwar mehr Autor*innen mit dem Thema, aber die Wissenschaft liegt noch weit zurück. Wenn es um Sexualität gehe, gebe es kaum Gelder, um umfangreiche Studien durchzuführen. Dadurch würden sich hartnäckige Mythen und Falschinformationen halten. „Obwohl die Medizin so weit wäre, können viele Ärzt*innen in der Praxis nicht zwischen Asexualität und sexueller Funktionsstörung unterscheiden – und unsere Gesellschaft schon gar nicht. Auch bei Sexualtherapeut*innen wird nicht genügend darüber aufgeklärt, dass eine ausbleibende Libido kein Leidensdruck sein muss“, so Popov.

„Wenn wir uns trauen, Sex zu dezentrieren, können wir mehr Aufmerksamkeit auf andere Formen der Intimität lenken.“

Im Buch sei sie vor allem dem inneren Unwohlsein nachgegangen, was es bedeute, eine sexkritische Feministin zu sein. Damit ist ihr eine Kritik an dem allgegenwärtigen sexpositiven Lebensstil gelungen, der zur neuen Norm geworden ist und dabei mehr Menschen unter Druck setzt, als sie nachhaltig zu empowern. Sie appelliert: „Wenn wir uns trauen, Sex zu dezentrieren, können wir mehr Aufmerksamkeit auf andere Formen der Intimität lenken, besser verstehen, was wir wirklich wollen, und auch den Fokus auf Freundschaften legen.“

In Popovs Buch geht es nicht nur um ihre eigenen Erfahrungen und darum, das asexuelle Spektrum zu erklären, vielmehr legt sie den Finger auf ein strukturelles Problem, das auch in queeren und feministischen Kreisen noch zu wenig Beachtung findet. Das Buch richtet sich an alle Menschen, die auch – ob für ein paar Monate, ein paar Jahre oder immer – zum „Kein Bock Club“ gehören. Popov möchte zeigen: Wer keinen Sex will, braucht keine Erklärung, und wer seinen eigenen Rhythmus hat, muss sich nicht rechtfertigen.

Maria Popov: „Kein Bock Club“
kiwi, 320 Seiten, 18 Euro
kiwi-verlag.de

Buchpremiere: 13.10., 20:00
Pfefferberg Theater
Moderation Annika Prigge

Maria Popov „Kein Bock Club“ erscheint am 09. Oktober

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