„Politisches Bewusstsein ist entscheidend“ – Stadtfest und CSD

Vom Lesbisch-schwulen Stadtfest bis zur CSD-Demo – die Pride-Saison verspricht Sichtbarkeit, Party und ein kämpferisches Miteinander. Doch nicht alles ist harmonisch: Das CSD-Motto „Nie wieder still“ sorgt für Kritik und auch finanziell steht der Verein unter Druck. Ein Überblick
Unter dem diesjährigen bundesweiten Motto „Nie wieder still“ führt der große CSD am 26. Juli wieder durch die Hauptstadt. Los geht‘s um 12:00 Uhr an der Leipziger Straße, die Abschlusskundgebung findet gegen 15:30 Uhr am Brandenburger Tor statt.
Bevor es jedoch am letzten Juli-Samstag bunt, laut und pompös wird, erklärt der CSD e. V. nun schon zum vierten Mal fast den ganzen Juli zum offiziellen Pride Month (28.06. bis 27.07.). In diesem Rahmen geben Panels, Partys und Workshops der Community Raum für Vernetzung und Austausch.

Die Highlights des Pride-Monats sind neben der Demo und dem abschließenden Bühnenprogramm vor allem die Partys am CSD-Samstag: Das Herz der Nacht schlägt bei der Mainparty „House of Pride“ im Ritter Butzke mit unter anderem Mousse T., Miss Ivanka T. und Katy Bähm an den Decks sowie bei den zwei offiziellen FLINTA*-Partys „Girls Town“ im Maaya und „Queer Garten“ im Weekend Rooftop.
Kritik am CSD-Motto „Nie wieder still“
Die Erwartung an den CSD ist nicht nur von Harmonie geprägt. Aus queerfeministischen und BIPoC-Kreisen gab es Kritik am Motto „Nie wieder still“, das auf den bundesweiten Verein CSD Deutschland e. V. in Zusammenarbeit mit den lokalen CSD-Gruppen zurückgeht. Aktivist*innen wie Clarissa Fahrenholz aka Frau Erdnuss fiel die Ähnlichkeit zur intersektionalen Kampagne „Nie wieder leise“ des Bündnisses Woman Life Freedom Unity (WLF Unity) auf. Diese richtet sich gegen die Unsichtbarmachung queerer, migrantischer und mehrfach marginalisierter Menschen.
Aktivist*innen werfen dem Verein nicht nur vor, das Motto plagiiert zu haben, sondern bemängelten auch, dass die Sichtbarkeit der Kampagne „Nie wieder leise“ nun verringert werde. Dazu äußert sich Thomas Hoffmann: „Aus bestem Wissen und Gewissen kann ich sagen, dass das Motto ‚Nie wieder still‘ entstanden ist, ohne die Kampagne ‚Nie wieder leise‘ zu kennen. Das ist die Ausgangssituation, jetzt erkennen wir natürlich die Ähnlichkeit an, und ich glaube, eigentlich wollen wir das Gleiche und haben beide tolle Wünsche und Ziele.“ Der CSD-Verein biete deshalb einen Schulterschluss an, um „sich gegenseitig in diesen Zielen zu unterstützen und zusammenzuarbeiten“.
„Das ist nicht eine große Werbeshow, das ist nicht irgendein Rave, sondern das ist eine politische Demonstration für die Rechte von uns allen.“
Der große Berliner CSD wird seit langer Zeit als zu kommerziell oder unpolitisch kritisiert. Das Vorstandsmitglied betont jedoch, politisches Bewusstsein sei entscheidend, gerade in diesem Jahr. Ihm ist wichtig, klarzumachen, „das ist nicht eine große Werbeshow, das ist nicht irgendein Rave, sondern das ist eine politische Demonstration für die Rechte von uns allen“. Natürlich dürfe man beim Demonstrieren auch tanzen und feiern – „das schließt sich ja nicht aus“. Zu den zentralen Forderungen gehören die Erweiterung von Artikel 3 des Grundgesetzes um die sexuelle und geschlechtliche Identität, ein wirksamer Kampf gegen queerfeindliche Hasskriminalität, außerdem Schutz und Erhalt queerer Communitys und ihrer Beratungsstrukturen, „die insbesondere in den Kürzungsdiskussionen sehr stark unter die Räder gekommen sind“, so Hoffmann.
Finanzierungsprobleme hatte der CSD e. V. auch selbst, weil Sponsoren abgesprungen waren und 200.000 Euro fehlten. Eine Spendenkampagne wurde ins Leben gerufen. „Wir haben viele Spenden von Einzelpersonen, aber ebenso von kleinen Unternehmen bekommen, bei denen es für ein Sponsoring nicht reicht, die sich aber trotzdem solidarisch zeigen wollten“, erzählt Hoffmann. „Dafür sind wir extrem dankbar.“ Durch die eingegangenen Spenden können unter anderem Maßnahmen wie Gebärdendolmetschen und die Rollstuhltribüne realisiert werden, „aber auch unsere politische Arbeit“. Zudem befinde sich der CSD e. V. mit einigen Unternehmen „in konstruktiven Gesprächen“ und gehe von einem „guten Ergebnis“ aus.
Zum Wegfall des Sponsorings nennt Thomas Hoffmann zwei klare Gründe: zum einen den allgemeinen Rechtsruck sowie „Unternehmen, die sich der neuen Regelung oder der neuen Realität von Präsident Trump sehr stark angebiedert haben“. Das betreffe nicht nur US-Unternehmen, sondern auch deutsche Firmen mit relevanten Geschäftsinteressen in den USA. Zum anderen sei auch die wirtschaftliche Lage in Deutschland nicht mehr so stabil wie in früheren Jahren: „Das haben auch die CSD-Organisator*innen aus anderen Städten berichtet.“ Für die Zukunft wolle man daher „mehr verlässliche, langjährige und lokale Partner*innen“ gewinnen.

Neu beim Stadtfest: Boxer-Bühne in der „Fetischwelt“
Das 31. Lesbisch-schwule Stadtfest im Nollendorfkiez wird am Vortag mit dem Hissen der Regenbogenfahne vor dem Rathaus Schöneberg eingeleitet. Unter dem bewährten Motto „Gleiche Rechte für Ungleiche – weltweit!“ findet das Stadtfest dann am 19. und 20. Juli statt, mit Showprogramm verteilt auf sechs Bühnen. Zu den Highlights gehört erneut Gerhard Hoffmanns „Wildes Sofa“. Geladen sind der ehemalige Regierende Bürgermeister Michael Müller, die ehemalige Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales Elke Breitenbach, die Imamin Seyran Ateş sowie die russische Aktivistin und Filmemacherin Gulya Sultanova. Die Säulen des Programms bilden die fünf „Stadtfest-Welten“, die verschiedene Schwerpunkte setzen. Neu hinzugekommen ist in diesem Jahr die neue „Boxer-Bühne“ in der „Fetischwelt“ mit kinky Fashionshow und Fetisch-Contest.
„Wir wünschen uns ein ruhiges, diskriminierungsfreies Lesbisch-schwules Stadtfest, das ein starkes Zeichen für Offenheit und Akzeptanz setzt.“
Außerdem wird wieder besonderes Engagement geehrt: Der Rainbow-Award 2025 geht an Alain Rappsilber, Schornsteinfegermeister und queerer Netzwerker. Die Preisverleihung findet auf der Stadtfestbühne statt. „Die Bühnenteams haben auch in diesem Jahr wieder tolle Programme auf die Beine gestellt“, freuen sich Dieter Schneider und Detlef Hildebrand vom Regenbogenfonds e. V., der das Stadtfest organisiert. Überraschenderweise sind die beiden Stadtfest-Urgesteine auch in diesem Jahr involviert, obwohl sie sich 2024 zurückziehen wollten. „Nichts ist so beständig wie der Wandel“, erklären sie gegenüber SIEGESSÄULE. Das Orga-Team wurde neu aufgestellt. „Wie geplant arbeiten wir das neue Team, Nadine Königsmann und Dominik Kramp, ein. Deshalb sind wir in diesem Jahr noch ein letztes Mal voll eingebunden.“ Für die 31. Auflage des Festes wünschen sie sich „ein ruhiges, diskriminierungsfreies Lesbisch-schwules Stadtfest, das ein starkes Zeichen für Offenheit und Akzeptanz setzt“.

Folge uns auf Instagram
#Berlin Pride#BerlinerCSD#CSD#CSD e. V.#Christopher Street Day#Demonstration#LGBTQIA*#Lesbisch-schwules Stadtfest#Parade#Pride