DEI-Maßnahmen gestrichen

Rechtsruck in Unternehmen: Diversity in der Krise

23. Juni 2025 Interview: Florian Bade
Bild: Ati Vadoc
Geschäftsführerin Rea Eldem (re.) und Berater*in Luka Özyürek (li.)

Von Trump inspiriert streichen auch in Deutschland immer mehr Unternehmen – jüngst etwa der Softwarekonzern SAP – ihre Maßnahmen rund um Diversity, Equity & Inclusion (DEI). Rea Eldem und Luka Özyürek von der Agentur In-Visible für diskriminierungssensible Arbeitskultur sprechen im SIEGESSÄULE-Interview über Gegenstrategien

Rea, Luka, wie schätzt ihr die Kürzungen von DEI-Maßnahmen in deutschen Unternehmen ein? Luka Özyürek: Es zeigt sich eine Spaltung: Einige Unternehmen nutzen den politischen Rechtsruck als Vorwand, DEI-Maßnahmen zu beenden. Andere reagieren mit einer „Jetzt erst recht“-Mentalität.

Rea Eldem: Die Spreu trennt sich vom Weizen. Wer DEI aus Überzeugung betreibt, positioniert sich – auch wenn es Kund*innen kostet. Wer zurückweicht, schwächt langfristig seine Marke.

L.Ö.: In unsicheren Zeiten suchen Menschen einfache Antworten. Diversity erscheint dann als Luxus oder Bedrohung. Besonders Transfeindlichkeit wird zur Projektionsfläche – oft fehlt die persönliche Verbindung.

R.E.: Es herrscht eine Grundstimmung von „Deutschland geht vor die Hunde“. Dieses Narrativ wird aktiv geschürt, Diversity wird zum Sündenbock.

„Unternehmen setzen DEI-Maßnahmen jetzt zurückhaltender um – das Gegenteil vom früheren Diversity-Washing.“

Welche Sorgen hegen Unternehmen und Mitarbeiter*innen? R.E.: Eine Kundin von uns erlebte nach einer Diversity-Kampagne einen rechten Shitstorm mit Umsatzeinbruch. Das verunsichert viele. Unternehmen setzen DEI-Maßnahmen jetzt zurückhaltender um – das Gegenteil vom früheren „Diversity-Washing“.

L.Ö.: Die Spaltung macht vorm Arbeitsplatz keinen Halt. Viele fragen sich: Wie gehe ich mit Kolleg*innen oder Chef*innen um, die die AfD wählen oder Diversity ablehnen?

Habt ihr Handlungsempfehlungen? L.Ö.: Es geht darum, passende Anknüpfungspunkte zu anderen zu finden, über Fakten, Emotionen oder eigene Erfahrungen.

R.E: Es hilft, sich auf vertraglich festgehaltene Unternehmenswerte zu berufen. Sie können die Debatte entemotionalisieren.

„Es hilft, sich auf vertraglich festgehaltene Unternehmenswerte zu berufen. Sie können die Debatte entemotionalisieren.“

Was bedeutet der Backlash für queere Menschen am Arbeitsplatz? L.Ö.: Es ist psychisch belastend. Viele fragen sich: Kann ich mich outen? Muss ich alles erklären? Auch wenn das Unternehmen offen ist, wirken sich gesellschaftlicher Druck und Negativschlagzeilen auf mentale Gesundheit und Produktivität aus.

R.E.: Rechte Diskurse legitimieren Diskriminierung wieder – das vergiftet Unternehmenskulturen.

L.Ö.: Auch in der Community findet eine „Verkonservatisierung“ statt.

Was ratet ihr queeren Menschen – im Job, aber auch privat? R.E.: Allianzen bilden, sich nicht spalten lassen. Wenn zum Beispiel jemand sagt: „Ich bin schwul, aber nicht queer“, ruhig nachfragen: „Wie meinst du das?“ Und Allies aktiv einbinden. Klare Wünsche helfen dabei – viele Privilegierte wissen nicht, ob sie sich einmischen dürfen. Wenn wir sagen: „Ich wünsche mir, dass du etwas sagst“, übernehmen sie eher Verantwortung.

L.Ö.: Und Selfcare nicht vergessen. Wir müssen nicht ständig politisch sein.

Was können Beschäftigte oder LGBTIQ*-Gruppen in Unternehmen tun, wenn Diversity-Initiativen gestrichen werden? L.Ö.: Selbst aktiv werden! Austauschräume schaffen, niedrigschwellige Angebote machen, ein offenes Ohr bieten. Auch ohne Budget kann viel passieren.

R.E.: Zeigt auf, wo der Bedarf liegt – mit Daten, Berichten, Umfragen. Und knüpft an Themen an, die dem Management wichtig sind, zum Beispiel Fachkräftemangel. Es braucht interne Lobbyarbeit.

Wie können wir Unternehmen zur Pride-Saison über Symbolpolitik hinaus zur Verantwortung ziehen? L.Ö.: Druck ausüben – per E-Mail oder öffentlich mit Letter-Writing-Kampagnen, die Unternehmen ermutigen, sich zu positionieren.

R.E.: Symbolpolitik wird oft in eine Schmuddelecke gestellt, kann aber empowern – wenn sie mit Taten einhergeht. Gerade jetzt braucht es pragmatische Strategien, auch wenn das heißt unbequeme Bündnisse einzugehen.

In-Visible GmbH,
Agentur für gendergerechte Arbeitskultur und Diversity, berät Unternehmen zu Themen wie „Unconscious Bias“ oder „Inklusive Sprache“

Infos: in-visible.berlin

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