Prominente Schwule und Lesben

Zehn spektakuläre Coming-outs

12. Feb. 2022 Karin Schupp/as
Bild: Joseph Wolfgang Ohlert / Mathias Bothor / Nadine Stegemann
v.l.n.r.: Klaus Wowereit, Maren Kroymann, Kevin Kühnert

Wir stellen euch zehn schwul-lesbische Personen vor, deren Coming-out die deutsche Öffentlichkeit bewegte

Hape Kerkeling

„Hape hätte zum Beispiel eine Vorbildfunktion. Der ist jung, der ist hübsch, der ist ein Sympathieträger!“ Es war der 10. Dezember 1991, als Rosa von Praunheim in der RTL-Show „Der heiße Stuhl“ Kerkelings Homosexualität öffentlich machte – gegen dessen ausdrücklichen Willen: „Ich hab gestern mit ihm telefoniert. Da hat er mir gesagt: Jetzt noch nicht, aber vielleicht später“, sagte der schwule Filmemacher, der mit dem aus den USA importierten Konzept des „Outing“ für mehr positive Sichtbarkeit von Homosexuellen sorgen wollte (und gleich noch Alfred Biolek outete). Kerkeling, damals 27 und einer der größten Stars im deutschen Fernsehen, bestätigte gleich am nächsten Tag, schwul zu sein, und sagte ein Jahr später im Spiegel-Interview: „Meine Ängste waren völlig unbegründet. Ich kann nur jedem raten, sich nicht zu verstellen.“ Dem Schlagersänger Patrick Lindner riet er allerdings später aufgrund seiner eigenen schwierigen Erfahrungen von einem Coming-out ab.

Walter Sedlmayr

Am 15. Juli 1990 wurde der bayrische Schauspieler Walter Sedlmayr tot im Schlafzimmer seiner Wohnung in München aufgefunden. Er war mit einem Hammer erschlagen worden, sein Körper wies zudem mehrere Messerstiche auf. Durch die anschließenden polizeilichen Ermittlungen wird auch seine homosexuelle Identität bekannt, die er Zeit seines Lebens verheimlicht hat. Denn die Täter, die aus Sedlmayrs persönlichem Umfeld kamen, hatten bewusst versucht den Verdacht auf die Sexarbeiter zu lenken, mit denen Sedlmayr zusammen war. Unter anderem hatten sie Sexspielzeuge am Tatort hinterlassen. Das der Volksschauspieler Sedlmayr, der das erzkonservative Image Bayerns wie kein anderer verkörperte, schwul war, schockierte viele seiner Fans. Besonders unrühmlich dabei war der reißerische und menschenverachtende Umgang einiger Boulevardmedien mit dem Fall, die über das Privatleben des Schauspielers spekulierten und das Verbrechen selbst in den Hintergrund drängten. Sie lieferten damit auch eine Antwort auf die Frage, warum so viele Prominente in dieser Zeit vor einem Coming-out zurückschreckten. Der öffentliche Umgang mit dem Fall Sedlmayr ist ein Paradebeispiel für die perfide Art mit der Homosexuelle diskriminiert wurden: Obwohl der Schauspieler mit Auszeichnungen wie dem Bundesverdienstkreuz, dem Adolf-Grimme-Preis oder dem Bundesfilmpreis geehrt worden war, erschien auf seiner Beerdigung nicht eine einzige prominente Person aus Kultur oder Politik.

Hella von Sinnen

Die wohl immer noch bekannteste Lesbe Deutschlands war vor ihrer TV-Karriere in Kölns Comedyszene offen lesbisch unterwegs, aber als Hella 1988 mit der RTL-Show „Alles Nichts Oder?!“ bundesweit bekannt wurde und die Bunte sie als lesbisch outete, „riss es mir die Beine weg“, erinnerte sie sich 1991 im Stern. „Ich dachte, das ist das Ende einer wunderbaren Karriere.“ Der Schock klang aber schnell ab: Mit Sätzen wie „Ich bin stocklesbisch“ und „Ich ficke gern“ zeigte sich die Entertainerin als selbstbewusste Lesbe und sprach freimütig über ihre frische Liebe zur Altbundespräsidententochter Cornelia Scheel (die daraufhin vorübergehend ihren Job bei der Krebshilfe verlor). Gemeinsam sorgten sie 1992 mit der „Aktion Standesamt“ für Aufsehen, als sie – damals noch erfolglos – mit 250 Paaren beim Standesamt und vorm Bundesverfassungsgericht die Ehe-Öffnung einforderten.

Patrick Lindner

Bild: 9EkieraM1 CC BY-SA 3.0 Quelle
Patrick Lindner (re.) und sein Ehemann Peter Schäfer

1999 wurde der Volksmusik- und Schlagersänger Patrick Lindner geoutet. Unfreiwillig! In einem Boulevardblatt entdeckte er die Schlagzeile „Patrick Lindner: Ich bin schwul". Wenn er in Interviews auf die damalige Situation angesprochen wird, geht es in seinen Antworten meist darum wie „grauenhaft“ er dieses Outing erlebt hat. Ablehnung wegen seiner Homosexualität erfährt Lindner schon sehr früh: Als er sich als Jugendlicher gegenüber seinen Eltern outet, wollen diese ihn von einem Arzt „kurieren“ lassen. Zudem wird ihm in der extrem konservativen Schlagerbranche und von Freunden von einem offenen Umgang mit seiner Homosexualität abgeraten. „Es durfte nichts nach draußen dringen", erzählt er im Queerkram-Podcast des Nollendorfbloggers Johannes Kram. Als schließlich doch etwas nach außen dringt, habe er dadurch einen „enormen finanziellen Schaden" erlitten. wie er gegenüber der Bild berichtet. Seine Plattenverkäufe seien eingebrochen. 1999 adoptiert Lindner ein acht Monate altes Waisenkind. Mit dieser Info aus seinem Privatleben geht er diesmal selbst an die Öffentlichkeit, auch um sich vor „auflauernden Fotografen“ zu schützen. Mit seinem Adoptivkind und seinem damaligen Freund und Manager Michael Link wurde er so zu einer der ersten sichtbaren Regenbogenfamilien.

Maren Kroymann

Bild: Mathias Bothor

Sie war durch die ARD-Serien „Grüß Gott, Herr Pfarrer“ und „Vera Wesskamp“ ein prominentes TV-Gesicht, als sie sich mit ihrer damaligen Lebensgefährtin, der Schauspielerin Susanne Evers („Lindenstraße“), im September 1993 im Stern outete. „Weil die, die es sich leisten können, es tun sollten, damit es alltäglich, normal wird“, sagte die Schauspielerin und Sängerin, die sich erst mit Anfang 40 zum ersten Mal in eine Frau verliebt hatte. Nach ihrem Coming-out blieben ein Jahr die Rollenangebote aus: „Nicht mal was zum Ablehnen“, sagte sie später im Brigitte-Interview. „Ich bereue es trotzdem nicht, weil es mir gut getan hat.“ Uns auch: Wir haben ihr viele kluge homopolitische und feministische Wortmeldungen zu verdanken. Und auch der Erfolg kehrte zurück: Vor allem mit ihrer Sketchcomedy „Kroymann“ (ARD) räumte sie in den letzten Jahren einen Preis nach dem andern ab. Hier geht´s zum SIEGESSÄULE-Interview mit Maren Kroymann

Nadine Angerer

Der Frauenfußball wehrt sich traditionell gegen das Gerücht, ein reiner Lesbenhort zu sein – zu Lasten der tatsächlich zahlreichen lesbischen Spielerinnen, die sich bis heute im internationalen Vergleich erstaunlich schwer tun, sich zu outen. Immerhin ging die damalige Nationaltorhüterin Nadine Angerer mit gutem Beispiel voran und sagte im November 2010 im ZEIT-Magazin: „Ich persönlich bin da offen, weil ich der Meinung bin, dass es nette Männer und nette Frauen gibt, und weil ich eine Festlegung generell total albern finde.“ Letzteres relativierte sie in ihrer Autobiografie „Im richtigen Moment“ (2015): „Ich mag Männer wirklich, aber lieben tue ich nun mal nur Frauen.“ Seit vier Jahren ist die zweifache Weltmeisterin und Weltfußballerin des Jahres mit ihrer Lebensgefährtin Magda verpartnert.

Kevin Kühnert

Kevin Kühnerts Coming-out überraschte – weniger weil es eigentlich gar keines war, sondern aufgrund des unerwarteten Wirbels, den es verursachte. Der damalige Juso- und jetzige Vize-Chef der SPD äußerte sich zum ersten Mal öffentlich zu seiner Homosexualität in der Märzausgabe der SIEGESSÄULE 2018. Er sprach dort über die Vorbildfunktion von Klaus Wowereit für ihn in puncto Coming-out. Eigentlich nichts Sensationelles, gerade für einen links verorteten Politiker, der als studentischer Mitarbeiter im Büro der queerpolitischen SPD-Sprecherin arbeitete. Um eine große Coming-out-Aktion handelte es sich dabei also kaum. Doch da Kühnert u. a. mit seiner NoGroKo-Initiative gerade der politische Aufsteiger des Jahres war, wurde daraus dennoch ein medialer Aufreger. Auf der rechten Seite wurde gepoltert: Die ehemalige Bundestagsabgeordnete, einstige CDU-Politikerin und Rechtspopulistin Erika Steinbach brachte es sogar fertig in einem Twitter-Post, Kühnerts Homosexualität mit Kindesmissbrauch in Verbindung zu bringen. Sie wetterte gegen Kühnert: „Es interessiert mich nicht, wer mit wem schläft. Es sei denn, es geht um Kindesmissbrauch.“ Auch die Art und Weise wie Markus Lanz das Thema aufgriff, als Kühnert in seiner Sendung zu Gast war, zeigte dem SPD-Politiker, „dass um das Thema oft doch noch ein ziemlicher Eiertanz aufgeführt wird.“ Und tatsächlich fühlte man sich bei dem Umgang mit Kühnerts Sexualität fast wieder zurückversetzt in die 90er-Jahre. Hier geht´s zum SIEGESSÄULE-Interview mit Kevin Kühnert

Thomas Hitzlsperger

Wie homophob die Film- und TV-Branche ist, mag viele verwundert haben – im Profi-Fußball wird das ganz selbstverständlich angenommen. Deshalb ist Hitzlsperger bis heute der einzige offen schwule Ex-Profi, und auch er outete sich erst vier Monate nach Beendigung seiner Karriere. Der frühere Nationalspieler, der unter anderem beim VfB Stuttgart, Lazio Rom und VfL Wolfsburg spielte, sprach im Januar 2014 in der Zeit erstmals über seine Homosexualität: „Ich habe mich nie dafür geschämt (…), aber der Gruppenzwang kann enorm sein.“ Auslöser für sein Coming Out waren die Olympischen Spiele in Sotschi: „Ich denke, es braucht kritische Stimmen gegen die Kampagnen mehrerer Regierungen gegen Homosexuelle.“ Bereut hat er’s nicht: „Mein Coming-out und die Zeit danach haben mein Leben bereichert“, sagte der Bundesverdienstkreuzträger und Sportvorstand des VfB Stuttgart 2020 im Stern.

Anne Will

Dass Anne Will lesbisch ist, war in der Lesbenszene schon lange ein offenes Geheimnis, und auch die Medien wussten Bescheid, wie etwa ein BZ-Artikel (2004) andeutete, der von „Berlins schönster Frauenfreundschaft zwischen Anne Will und Miriam Meckel“ schwärmte, die „in einer romantische Finca auf Mallorca“ urlaubten und „beide so glücklich aussehen“. Aber erst Ende 2007, zwei Monate nach dem Start ihrer Talkshow „Anne Will“, bestätigte die Moderatorin bei einer Preisverleihung in Berlin: „Ja, wir sind ein Paar.“ Es blieb bei dem knappen Satz gegenüber der Bild am Sonntag , und abgesehen von ebenso kurzen Personenstandsmeldungen – „Ja, wir haben uns verpartnert“ (August 2016) und „Wir haben uns getrennt“ (November 2019) – hat sie bis heute darüber kein Wort verloren.

Klaus Wowereit

Das bekannteste Coming-out im deutschsprachigen Raum hatte wohl Berlins ehemaliger regierender Bürgermeister und SPD-Politiker Klaus Wowereit. Eine Zäsur, die nicht nur folgenreich für die Politik war. Am 10. Juni 2001 – kurz vor seiner Wahl zum Bürgermeister – outete sich Klaus Wowereit als einer der ersten deutschen Spitzenpolitiker in seiner Rede beim Sonderparteitag als schwul. Dabei fiel der legendären Satz: „Ich bin schwul und das ist auch gut so“, der mittlerweile zum gefügelten Wort geworden ist, weil er neben dem Outing auch gleich die positive Interpretation und emanzipatorische Message mitlieferte.

Dabei war dieses Coming-out zu diesem Zeitpunkt nicht ganz freiwillig, Wowereit stand auch unter Zugzwang: Denn laut eigener Aussage verdichteten sich die Hinweise, dass die Springerpessse das Thema skandalisierend aufgreifen würde. Mit seinem selbstbestimmten Coming-out nahm er ihnen allerdings den Wind aus den Segeln. Es gab zwar in der Folge homophobe Angriffe gerade von politischen Konkurrenten. So antwortete z. B. Friedrich Merz auf die Frage der Bunten, was er von einem schwulen Bürgermeister in Berlin halte mit den Worten: „Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal!“ Doch das änderte nichts daran, dass Wowereit gestärkt in seiner öffentlichen Position aus dieser Situation hervorging. Sein Coming-out schaffte eine Blaupause für einen souveränen und erfolgreichen Umgang damit.

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